Freie Flächen sinnvoll gestalten

Plätze in der Stadt

Freie Flächen in der Stadt lösen manchmal Unbehagen aus. Architekt Boris Podrecca gestaltet solche Plätze auf ganz eigene Weise. Nach anfänglichem Zögern werden sie von der Bevölkerung im Endeffekt gerne angenommen und genützt.

Boris Podrecca hat in Österreich bereits mehrere Plätze gestaltet. So stammen unter anderem der Universitätsplatz in Salzburg, der Hauptplatz in Leoben und der Mariahilfer Platz in Wien "aus seiner Feder". Sein aktuelles Projekt ist die Umgestaltung des Wiener Pratersterns.

"Öffentliche Räume sind Konfektion"

Man muss schon ins Ausland fahren, um sogenannte harte, gepflasterte Plätze zu erleben: in Barcelona, Siena und am Markusplatz in Venedig. Diese Plätze brauchen keine Begrünung. In Wien hingegen...

"Ich glaube jeder Wiener würde sich wundern, wenn man am Markusplatz grüne Inseln hätte oder Palmen oder so was", meint Architekt Boris Podrecca, geboren in Belgrad, aufgewachsen in Triest. Heute lebt und arbeitet er in Wien. In Österreich könne man kaum eine größere Fläche planen, ohne es grün zu haben, "ohne diese kitschige Lieblichkeit. Das liegt in der Mentalität und es ist natürlich sehr schwer, gegen das Volk zu regieren", meint er.

Räume seien eben keine Maßanzüge, meint Podrecca: "Öffentliche Räume sind eher Konfektion, ja, gehobene Konfektion. Sie sind eher neutrale Tableaus, wo die Handlung, und zwar unsere Handlung Stimmung macht."

Der "leere Platz" in Piran

Es gibt inzwischen zahlreiche Plätze, die mit Bürgerbeteiligung gestaltet wurden. Bei der Planung werden die Wünsche der Bevölkerung so gut es geht berücksichtigt. Als gelungene Platzgestaltung gilt dann jene, bei der die Politiker im Rahmen der Eröffnungsfeierlichkeiten stolz den erzielten Konsens aller Beteiligten verkünden. Dass Konsens nicht die ideale Voraussetzung für eine gelungene Platzgestaltung ist, weiß Boris Podrecca. Er hat vor vielen Jahren einen Platz für die Stadt Piran in Slowenien entworfen, einen Platz ohne alles Dekor. Es ist einfach eine freie Fläche in Form einer Ellipse. Lange Zeit hat sich kein Bürgermeister getraut, diesen Entwurf umzusetzen. Bis eines Tages ein Bürgermeister im Amt war, der den Schritt wagte.

"Ich möchte eben einen 'leeren Platz', ein Tablett, wo alles möglich ist", so Podrecca. Der Platz wurde gebaut. "Plötzlich kamen die Leute", erzählt Podrecca. "Ein leerer Platz, ein Tablett, das regt an. Dieses Vakuum ist beladen mit Hypothesen. Erst wenn sie ein Tablett haben, fällt ihnen auf, was Sie alles machen können. Die Leute können das nicht imaginieren." Der Tartini-Platz in Piran ist mittlerweile belebt von Menschen, die flanieren, turnen oder Bekannte treffen.

Hürdenlauf um Schanigärten herum

Auch Geschäftsstraßen werden als Freiräume geplant. Die Neugestaltung eines Boulevards wirkt oft großzügig auf den fotorealistischen Darstellungen, den sogenannten Renderings. Auf den Bildern kann man Fußgänger sehen, die entspannt über den Boulevard flanieren. In der Realität erleben die Fußgänger allerdings einen Hürdenlauf: Sessel, Tische, Pflanzentröge, Glastrennwände und Schirme - das neue Reizwort für Fußgänger heißt nicht mehr "Hundekot", sondern "Schanigarten".

De facto sei der öffentliche Raum wegrationalisiert worden, meint Podrecca, "denn das, was in die Straßen kommt, also praktisch den Fluss im öffentlichen Raum stört, ist alles ein merkantiles Substrat."

Bequem sitzen verboten

In Wien darf jeder Gastronom einen Schanigarten eröffnen, sofern er die geltenden Normen einhält. Eine Norm besagt zum Beispiel, dass zwischen dem Schanigarten und umliegenden Schaufenstern mindestens ein Meter Abstand sein muss. Am Lugeck, einem kleinen Platz in der Wiener Innenstadt, gab es früher einige öffentliche Sitzbänke. Die waren nicht schön, aber praktisch. Man konnte seine Tasche kurz abstellen oder sich mit der Eistüte hinsetzen und in Ruhe sein Eis schlecken. Die Bänke sind weg, stattdessen findet man einen weiteren Schanigarten. Es scheint, als hätte die Bank in der Stadt ohnedies keine Zukunft.

"Was uns immer verboten wird: sehr ergonomische Bänke zu machen, wo man gut sitzt", klagt Podrecca. "Das ist verboten, weil sonst die Clochards den ganzen Tag dort sitzen würden. Das heißt die Kunst ist, eine gefällige Bank zu machen, die nicht so aussieht, als ob's ein Verbot ist für einen Menschen, der längere Zeit sich dort aufhalten oder schlafen möchte."

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