Porträt des umstrittenen israelischen Historikers

Wer ist Ilan Pappé?

Ging der Gründung des Staates Israel 1948 die ethnische Säuberung des Landes voraus? Der 1954 in Israel geborene Historiker Ilan Pappé behauptet: Ja! und ist damit so sehr in Ungnade gefallen, dass er heute im Exil in England lebt.

Ilan Pappé zählt zu den "neuen israelischen Historikern", deren Programm in einer Revision der "offiziellen" Geschichtsschreibung Israels besteht und die an den Gründungsmythen des Staates Israel kratzen. Pappé studierte an der Hebräischen Universität von Jerusalem und promovierte in Oxford. Bis 2007 lehrte er politische Wissenschaften an der Universität Haifa. Mit dem Ausbruch der zweiten Intifada im Oktober 2000 schlug er sich öffentlich auf die Seite der Palästinenser - damit begannen seine Probleme.

Mittlerweile lebt er in England, wo er an der Universität Exeter eine Professur für Geschichte innehat.

Todesdrohungen

Nach der Publikation seines Buches "Die ethnische Säuberung Palästinas" erhielten er und seine Familie Todesdrohungen, er wurde von der akademischen Welt boykottiert, die Situation wurde letztlich untragbar für ihn. Er sei allerdings auch einer, der gerne provoziere, meint etwa der Wiener Nahostexperte John Bunzl als einer, der ihm durchaus wohlgesonnen ist und ihn gut kennt. Nicht alle Konflikte, wie zum Beispiel so manche Auseinandersetzung an der Universität, wären unbedingt notwendig gewesen.

Womit provoziert Ilan Pappé?

Mit seinen Äußerungen stellt er das Selbstbild Israels in Frage, mit Äußerungen wie: Israel sei keine Demokratie, sein Problem liege in seiner zionistischen Ideologie, Israel habe 1948 ein Verbrechen begangen, das es nie zugegeben habe: die ethnische Säuberung Palästinas, wurde er in Israel zur Persona non grata. Pappé meint, es habe mit Plan D einen gezielten Plan zur systematischen und vollständigen Vertreibung der Palästinenser aus ihren Dörfern gegeben. Dabei sei es zu Massakern, Vergewaltigungen, Enteignungen und Plünderungen gekommen. Insgesamt flohen rund 800.000 Menschen.

Beweismittel Dorfdossiers

Pappé stützt sich bei seinen Thesen auf die sogenannten Dorfdossiers aus den israelischen Staatsarchiven, die die frühen zionistischen Siedler über die palästinensischen Dörfer angelegt hatten - eine genaue kartographische Erfassung und fotografische Dokumentation der Dörfer. Die detaillierten Unterlagen seien von höchstem geheimdienstlichen Interesse gewesen und später für die Säuberungen und Vertreibungen herangezogen worden, so Pappé.

Achtung vor Applaus von der falschen Seite!

Wer Israel kritisiert, setzt sich dem Vorwurf des Antisemitismus aus. Doch Ilan Pappé sagt: Man muss Menschenrechts- und Bürgerrechtsverstöße in Israel gleich behandeln wie Menschenrechtsverstöße in den USA, in Uganda, Österreich oder im Iran. Als Sohn deutscher Juden, die vor den Nazis aus Deutschland fliehen mussten, ist Pappé sich nur allzu bewusst, dass so mancher, der die Sache der Palästinenser unterstützt, aus dem alten Lager der Antisemiten kommt.

Seine größte Hoffnung gilt einem Land Israel, in dem Israelis und Palästinenser gemeinsam in Frieden leben können. Er liebe seine Heimat, und würde zu gerne bald wieder zurückkehren, sagt Ilan Pappé.

Hör-Tipp
Hörbilder, Samstag, 28. März 2009, 9:05 Uhr

Buch-Tipp
Ilan Pappé, "Die ethnische Säuberung Palästinas", aus dem Englischen übersetzt von Ulrike Bischoff, Verlag Zweitausendeins

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Link
Ilan Pappé