Alexander Wrabetz und Alfred Noll im Gespräch

Rundfunk der Gesellschaft

Wie soll sich der öffentlich-rechtliche ORF im digitalen Zeitalter am Markt positionieren? Wie seine demokratiepolitischen Verpflichtungen gegenüber dem Publikum wahrnehmen, also die im besten Wortsinn aufklärerische Funktion verteidigen?

Ist öffentlich-rechtlicher Rundfunk ein Störfaktor für Politiker?

"Die öffentlich-rechtlichen Anstalten sind umgeben von Privatwirtschaft, sie sind daher in keiner Weise in ihrer Produktion autonom. Es sind mehrere Konfliktstellen, über die das herrschende gesellschaftliche System auf die, in einem rechtlichen Sonderstatus arbeitenden, öffentlich-rechtlichen Fernsehproduktion einwirkt."
(Oskar Negt, Alexander Kluge, "Öffentlichkeit und Erfahrung").

Zuviel Gewicht auf Quote

Eine dieser "Konfliktstellen", die von den beiden Autoren angesprochen werden, betrifft die wirtschaftliche Situation der öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen. Denn die Finanzierung der Sender wird aus Rundfunkentgelt und Werbeeinnahmen gespeist. Das wollte der Gesetzgeber so. Die unerwünschte Nebenwirkung: Die Quote erhält mehr Bewertungsgewicht, als ihr zusteht. Der ehemalige Generalintendant Gerd Bacher brachte es auf den Punkt: "Öffentlich-rechtlicher Rundfunk braucht Geld, um Programm zu machen. Privatfernsehen braucht Programm, um Geld zu machen."

Das gilt sinngemäß auch für die kommerziellen Radiosender. Bachers Nachfolger Gerhard Zeiler ergänzte: "Wir müssen dem Publikum geben, was das Publikum will, aber wir müssen dem Publikum auch Inhalte anbieten, von denen wir überzeugt sind, dass sie aus demokratiepolitischer Sicht unverzichtbar sind."

Aufklärerische Funktion verteidigen

Eine Kernüberzeugung, die alle wesentlichen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Europas eint, betrifft die Aufrechterhaltung eines Vollprogramms. Vollprogramme - so Prof. Dieter Stolte, ehemaliger ZDF-Intendant - sind ein Forum für unterschiedlichste Meinungen und Werthaltungen. Und das nicht nur in den meinungs-, sondern auch in den stilbildenden Sendungen wie Fernsehspielen, Serien und Talk-Shows. Eine Gesellschaft, die nicht mehr über Vollprogramme verfügte, wäre auch eine ohne die notwendigen Kohäsionskräfte. Sie begäbe sich auf den Weg der fortschreitenden Verwahrlosung.

Für ORF-Generaldirektor Dr. Alexander Wrabetz ruht das Vollprogramm auf vier Säulen: "Vertrauenswürdige Information, Bildungs- und Kulturauftrag, Unterhaltung mit Niveau: Das sind Werte, die über Quoten und Gebühren hinausreichen und die zugleich Verpflichtungen und Unterscheidungsmerkmale darstellen, die wir auf unserem Weg in die Zukunft als zentrale Leitwährungen ansehen." Wie soll sich der öffentlich-rechtliche ORF im digitalen Zeitalter am Markt positionieren? Wie seine demokratiepolitischen Verpflichtungen gegenüber dem Publikum wahrnehmen, also die im besten Wortsinn aufklärerische Funktion verteidigen?

Michael Kerbler hat ORF-Generaldirektor Dr. Alexander Wrabetz und den Dozenten für Urheber- und Medienrecht, Rechtsanwalt Dr. Alfred Noll zu einem Gespräch über die Zukunft des ORF und die Einflussgrößen Publikum, Markt und Politik eingeladen.

Hör-Tipp
Im Gespräch, Donnerstag, 26. März 2009, 21:01 Uhr

Buch-Tipps
Noam Chomsky, "Media Control: Wie die Medien uns manipulieren", aus dem Englischen übersetzt von Michael Haupt, Piper Verlag

Matthias Eckoldt, "Medien der Macht - Macht der Medien", Kulturverlag Kadmos

Hartmut Winkler, "Basiswissen Medien", Fischer Taschenbuch Verlag

Andy Kaltenbrunner, Matthias Karmasin, Daniela Kraus und Astrid Zimmermann, "Der Journalisten-Report: Österreichs Medien und ihre Macher" Facultas Universitätsverlag