Psychologische Beratung im Internet

Hilfe per Mausklick

Ob Liebeskummer oder Ess-Störungen, im Internet ist fast zu jedem Thema ein Selbsthilfeforum zu finden. Anonym und kostenlos können sich Betroffene informieren und beraten lassen. Die Nachfrage steigt. Was macht die Qualität einer Online-Beratung aus?

Die erste Kontaktaufnahme zu Onlineberatern ist in der Regel anonym. Ratsuchende zeigen beim Schreiben weniger Hemmungen als in einem Gespräch, das von Angesicht zu Angesicht stattfindet. Die Klienten erzählen ungeschminkt und direkt das Problem, das sie beschäftigt.

Die Online-Beratung ist ein niederschwelliges Beratungsangebot, das vor allem jene Menschen in Anspruch nehmen, die das Internet im Alltag gebrauchen. Gerade junge User suchen hier Rat und Hilfe, sagt Stefan Kühne. Er ist der Leiter der Jugendinformationsplattform Wien X-Tra und hat seit 2001 die Online-Beratung in Wien mit aufgebaut.

Klare Antworten auf klare Fragen

Auch der Beruf des Online-Beraters will gelernt sein, denn der geschriebene Text verleitet den Berater dazu, sich ein Bild vom Ratsuchenden zu machen. Seine Vorstellung entspricht aber nicht der Wirklichkeit und lenkt von der eigentlichen Frage ab. Darum verwendet Stefan Kühne eine einfache Technik, um seine Antwort so präzise wie möglich zu formulieren: Er fragt nach.

In der Online-Beratung werden oft intime Themen besprochen. Im Gegensatz zu einer Beratungsstelle oder einer psychotherapeutischen Praxis ist der virtuelle Raum jedoch nicht geschützt, denn E-Mails sind etwa so sicher wie Postkarten. Sensible Daten können leicht in falsche Hände geraten. Darum werden Online-Beratungen über Websites geführt, zu denen nur der Therapeut und der Klient einen Zugangscode besitzen.

Beliebige Honorare

Im Gegensatz zur Plattform Wien x- tra, die von der Stadt Wien bezahlt wird, sind die Beratungen bei der Plattform dieonlinepsychologen.de kostenpflichtig. Einheitliche Richtsätze für Online-Beratungen gibt es aber weder in Deutschland noch in Österreich.

Die Diplompsychologinnen und Psychologen von dieonlinepsychologen.de in Frankfurt veranschlagen ihr Honorar nach dem geschätzten Zeitaufwand, den sie zur Beantwortung der Frage brauchen, sagt Heike Kaiser Kehl. Ein weiteres Markeneichen der Plattform: die Berater begegnen ihren Kunden nicht anonym. Sie präsentieren sie sich auf der Homepage der Plattform mit Bild und kurzem Lebenslauf. Das Anliegen der Onlinepsychologen ist es, größtmögliche Transparenz zu gewährleisten.

Begleitende Betreuung

Online-Beratungen werden auch im klinischen Bereich immer häufiger eingesetzt. An der Universität Zürich untersucht ein Forscherteam, wie das Internet bei der Behandlung von depressiven Patienten eingesetzt werden kann.

Das Zentrum für Folteropfer in Berlin vernetzt emigrierte Ärzte und Therapeuten mit den Hilfesuchenden in Krisengebieten. Und an der Universität Tübingen wird das Internet in der psychologischen Betreuung von Krebspatienten angewandt. Die Möglichkeiten, die das Medium im therapeutischen Kontext bietet, werden immer mehr entdeckt.

Die Grundlage für diese psychologische, internetbasierte Betreuung bildet die so genannte Interapie, eine Schreibtherapie, die von Alfred Lange an der Universität Amsterdam entwickelt wurde. Seit 2001 evaluieren Forschungsprojekte an der Universität Zürich die Interapie, ihre Anwendungsmöglichkeiten und die Qualität der therapeutischen Beziehung, berichtet die Psychologin Birgit Wagner von der Universität Zürich.

Das Lebenstagebuch

Die Internet-basierte Therapie ist aber nicht nur auf ein junges Publikum zugeschnitten, berichtet die Psychologin Christine Knaevelsrud vom Berliner Behandlungszentrum für Folteropfer. Sie hat gemeinsam mit dem Psychiater Philip Kuwert von der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald das Projekt "Lebenstagebuch" ins Leben gerufen.

Das Behandlungsangebot richtet sich hier an ältere Menschen, die aufgrund ihrer traumatischen Erlebnisse während und kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges auch heute noch unter den psychischen Langzeitfolgen leiden.

Die Therapeuten leiten die Patienten an, in sieben Lebensabschnitten über ihr Leben zu berichten. Strukturierende Fragen erleichtern das Erzählen. Dem traumatischen Erlebnis selbst wird noch ein besonderer Raum gegeben. Im Lebenstagebuch wird in der Erzählform geschrieben und damit die zeitliche Distanz sichtbar gemacht. Damit soll dem Schreibenden bewusst werden, dass er oder sie dieses schreckliche Erlebnis Jahrzehnte lang überlebt hat und nicht daran zerbrochen ist. Die Dokumentation dessen, was passiert ist, hilft, das Unaussprechliche mit einem anderen Menschen zu teilen und sich damit zu entlasten.

Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 11. Mai bis Donnerstag, 14. Mai 2009, 9:30 Uhr

Buch-Tipp
Stefan Kühne, Gerhard Hinterberger (Hg), "Handbuch Online – Beratung", Verlag Vandenhoeck & Ruprecht

Links
Wien X-tra
e-beratungsjournal
dieonlinepsychologen
Lebenstagebuch - Schreibtherapie für traumatisierte Kriegsüberlebende

Übersicht