Erinnerung an die Lyrikerin Doris Mühringer

Gut ist allein sein

In der der Nacht vom 25. auf den 26. Mai 2009 verstarb in Wien die Lyrikerin Doris Mühringer. Wenige, schmale Gedichtbände sind von ihr erschienen, einige Bilderbücher für Kinder, kurze Prosatexte - ihr Werk ist in großer Zurückgezogenheit entstanden.

Doris Mühringer gehörte zu den "bekannten unbekannten" Namen der österreichischen Literatur nach 1945. Dabei müsste ihr Name in einem Atemzug mit anderen berühmt gewordenen Dichterinnen ihrer Generation genannt werden - Christine Busta, Ingeborg Bachmann, Christine Lavant, Ilse Aichinger...

1954 erscheinen in den von Hans Weigel herausgegebenen "Stimmen der Gegenwart" Gedichte von Doris Mühringer, im selben Jahr erhält sie den Georg-Trakl-Preis. Kurz darauf wird ihr der Preis der "Neuen Deutschen Hefte" zugesprochen. Unter 7.000 Bewerbern wurden drei Gewinnerinnen ausgewählt: Christine Busta, Christine Lavant und Doris Mühringer. In der Jury: Gottfried Benn.

Welchen Wesens sind Lyriker?

Keiner, auch der große Lyriker unserer Zeit, hat mehr als sechs bis acht vollendete Gedichte hinterlassen - also um diese sechs Gedichte, die 30 bis 50 Jahre Askese, Leiden, Kampf...? Welchen Wesens sind diese Lyriker? Sie sind meistens recht still, sie dürfen ja nicht alles gleich fertigmachen wollen, man muss schweigen können. Also, was sind sie? Sonderlinge, Einzimmerbewohner, sie geben die Existenz auf um zu existieren. Eigentlich sind sie nur Erscheinungen, und sind diese Erscheinungen dann tot, und man nimmt sie vom Kreuz, muss man ehrlicherweise zugeben, dass sie sich selber an dieses Kreuz geschlagen haben - was zwang sie dazu? Etwas muss sie doch gezwungen haben...

Mit diesem Zitat von Gottfried Benn hat Doris Mühringer bei der Verleihung des Literaturpreises des Landes Steiermark 1985 ihre Dankesrede beendet. Zeilen, die gut zum Leben und zum Werk der Lyrikerin passen

Wenige, schmale Gedichtbände sind von ihr erschienen, einige - vergriffene - Bilderbücher für Kinder, kurze Prosatexte - ihr Werk ist langsam gewachsen, ist in großer Zurückgezogenheit entstanden. Doris Mühringer hat sich stets radikal dem Schreiben zugewandt, ihr Leben danach eingerichtet - finanziell stets vom Minimum lebend, sparsam, genügsam, sie ist nie "in der Auslage gestanden".

Liebe zu Märchen

Geboren wird Doris Mühringer am 18.9. 1920 in Graz. Im Alter von sieben Jahren erkrankt sie schwer, sie muss monatelang im Bett bleiben, muss danach mühsam das Gehen wieder lernen. In dieser Zeit entdeckt sie die Welt der Bücher, alte kostbare Märchenbücher werden zur "Schatzkiste", in der sie wieder und wieder Neues, Überraschendes findet. Das Märchen vom "Machandelbaum" etwa wird zu einem Lieblingsmärchen, das im Gedächtnis blieb, das in einigen Gedichten zitiert wird. Wie überhaupt der Märchenton aus dieser frühen Leseerfahrung immer wieder hörbar wird in ihren Texten.

1929 übersiedelt die Familie nach Wien. Nach dem Krieg geht Doris Mühringer nach Salzburg. Sie kann sich mit Übersetzungen aus dem Englischen, mit Lektoratsgutachten für Verlage, mit Büroarbeiten über Wasser halten. Zufällig lernt sie Hans Weigel kennen, er organisiert eine Lesung junger Autoren. Darunter sind Ingeborg Bachmann, Gerhard Fritsch, Christine Busta - und Doris Mühringer.

Hans Weigel überredet Doris Mühringer nach Wien zu kommen. Schon bald gehört sie in Wien zum legendären Künstlerkreis um Hans Weigel im Cafe Raimund. Er wird ihr Mentor.

Von Hans Weigel gefördert

1954 erscheinen in den von Hans Weigel herausgegebenen "Stimmen der Gegenwart" Gedichte von Doris Mühringer, im selben Jahr erhält sie den Georg-Trakl-Preis. Kurz darauf wird ihr der Preis der "Neuen Deutschen Hefte" zugesprochen. Unter 7.000 Bewerbern wurden drei Gewinnerinnen ausgewählt: Christine Busta, Christine Lavant und Doris Mühringer. In der Jury: Gottfried Benn.

Reisen wir
Aber wohin
frage ich
Heimwärts
Aber wo ist das
frage ich
Innen
sagte die Stimme


Doris Mühringer war Mitglied des PEN-Clubs, des Literaturkreises "Podium", sie war jahrzehntelang durchaus im öffentlichen literarischen Leben vertreten, nahm an Lesungen teil, ging 1969 auf eine Vortrags- und Lesereise in die USA. Sie wurde mit dem Ehrentitel "Professor" ausgezeichnet, erhielt die "Silberne Ehrenmedaille der Stadt Wien." Und dennoch ist es still um sie und ihr Werk geblieben, ist sie heute eine der großen vergessenen lyrischen Stimmen des Landes.

Ihre Schüchternheit, ihre Scheu vor Menschen sei "beim Berühmtwerden" wohl im Wege gestanden, sagte Doris Mühringer im Gespräch.

Beeindruckendes Werk

Wenige, schmale Gedichtbände sind von ihr erschienen, Bilderbücher für Kinder, kurze Prosatexte - ihr Werk ist langsam gewachsen, ist in großer Zurückgezogenheit entstanden. Im Verlag Styria und in der "Bibliothek der Provinz" sind Gedichtbände von Doris Mühringer erschienen. Ihr literarischer Nachlass liegt - auf ihren Wunsch - im Franz-Nabl-Institut in Graz. Es gilt, das beeindruckende Werk einer großen Lyrikerin neu zu entdecken.

Hör-Tipp
Du holde Kunst, Sonntag, 13. September 2009, 14:05 Uhr

Buch-Tipps
Doris Mühringer, "Das hatten die Ratten vom Schatten. Ein Lachbuch", Styria 1989/1992

Doris Mühringer, "Reisen wir. Ausgewählte Gedichte", Styria 1995

Doris Mühringer, "Aber jetzt zögerst du. Späte Gedichte", Bibliothek der Provinz 1999

Doris Mühringer, "Auf der Wiese liegend. Kinder-Gedichte", Bibliothek der Provinz 2000

Doris Mühringer, "Achtzig für achtzig. Gedichte und Prosa", Bibliothek der Provinz 2000

Helmuth A. Niederle (Hrsg.), "Es verirrt sich die Zeit. Doris Mühringer. Das gesammelte Werk", Vierviertelverlag, Strasshof, Wien 2005.