"Menschen zum Lesen zu bringen, ist eine Leistung"

Anna Jeller

Anna Jeller ist ein Buchmensch. Die Trennung zwischen Arbeit und Vergnügen scheint bei ihr aufgehoben zu sein. Seit 25 Jahren betreibt sie eine kleine, feine Buchhandlung in Wien. Ihre Arbeit versteht sie auch als Beitrag zur Nahversorgung.

Anna Jeller über sich und ihre Buchhandlung

Anna Jeller lebt von und mit Büchern. Seid bald 25 Jahren führt sie ihre Buchhandlung in der Margarethenstraße im vierten Wiener Gemeindebezirk. Die 1959 in Wien Geborene und unter einfachsten Verhältnissen (und ohne Bücher) Aufgewachsene hat erst in der Schule den Weg zur Literatur, zum Lesen gefunden. "Es war eine andere Welt", sagt Anna Jeller über diese Erfahrung rückblickend. Alles, was bedruckt und ihr zugänglich war, hat sie mehrfach verschlungen.

Im Leo

In ihre heutige Buchhandlung ist als 19-Jährige geraten. Zufällig. Eine Überweisung zum Augenarzt hat sie, in die Margarethenstraße verschlagen, in die sie ob ihrer damaligen Hässlichkeit nie freiwillig einen Fuß setzen wollte. Rasch wird der Laden zu ihrer Lieblingsbuchhandlung, eher zufällig wird sie als Hilfskraft angestellt. "Ich kann nichts, aber ich lese gerne", das war ihre Eintrittskarte.

Das Geschäft war damals eine Fachbuchhandlung für Anthroposophie und Anna Jeller kann immer noch das Gesamtwerk Rudolf Steiners auswendig - freilich ohne innere Bindung zum Werk Steiners. Sie hat schon als Angestellte Schritt für Schritt daran gearbeitet, das Angebot umzugestalten. Vor 25 Jahren hat sie den Laden schließlich übernommen.

An der Lage ihres Geschäftes schätzt sie, dass sie sich mehr Freiheiten herausnehmen kann als in 1a-Innenstadtlagen, wo man mehr Rücksicht auf Laufkundschaft nehmen müsse. "Das hier ist ein Leo", sagt Anna Jeller.

Die Institution "Anna Jeller"

Ihre Buchhandlung ist so, wie es sich eine Leserin, ein Leser vorstellt: ein Ort zum Verweilen und Schmökern. Es gibt bequeme Sessel, in die man sich hineinfallen lassen kann, um einmal Probe zu lesen.

Die österreichische Journalistin und Schriftstellerin Eva Menasse hat über Anna Jellers Buchhandlung geschrieben:

Wien hat die Kneipe, das Espresso und die Parkbank zusammengefasst und zum Kaffeehaus weiterentwickelt - einer Institution, wo man lesen, sich bilden, allein und unter Menschen sein kann. An der Ecke Margarethenstraße / Freundgasse haben sich daraufhin das Kaffeehaus und die Buchhandlung zur Institution Anna Jeller weiterentwickelt und damit vollendet. Ist "Anna Jeller" eine Frau, eine Buchhandlung, ein Kaffeehaus oder ein Stammbeisl? Und in welcher Reihenfolge? Die Eingeweihten wissen es. Die anderen geht es nichts an.

Anna Jeller ist ein Buchmensch. Die Trennung zwischen Arbeit und Vergnügen scheint bei ihr aufgehoben zu sein. Mit 60 in Pension zu gehen kann sie sich nicht vorstellen. "Ich möchte, dass Menschen ein wenig besser werden", sagt sie. Folglich gibt es in ihrem Geschäft nichts, was sich gegen Frauen richtet, keine Verlage, die so tun, als ob sie links wären und dabei rechts sind. Nichts von Sekten, "solche Dinge gibt es bei uns nicht".

"Mir geht es um das Wie"

Klaus Jellers Arrangements sind eigentlich Installationen, die um ein Motto, einen Autor oder eine Autorin herum angeordnet werden. Legendär war die Reaktion auf das Geständnis des niederösterreichischen Landeshauptmanns, eigentlich nur ein Buch jemals wirklich gelesen zu haben, Karl Mays "Der Schatz im Silbersee". Kurz darauf zierte dieses eine Buch den mit schwarzem Samt ausgeschlagenen Schaufensterkasten, garniert mit dem Satz "EIN Buch fürs Leben".

Zu den Lieblingsautorinnen und -autoren der Buchhändlerin zählt Ingeborg Bachmann. Immer im Sortiment hat Anna Jeller Ingeborg Bachmanns "Simultan", Christoph Heins "Drachenblut", Robert Musils "Der Mann ohne Eigenschaften", Leo Tolstois "Anna Karenina", James Joyce' "Ulysses". Und immer Werke von Aleksandar Tisma, Jacques Prevert, Haruki Murakami, Philip Roth und Joseph Roth. "Egal, was für eine Geschichte mir erzählt wird", sagt Anna Jeller, die in ihrem Geschäft Lesungen veranstaltet, als Kuratorin der Akademie der österreichischen Buch- und Medienwirtschaft tätig ist und sich außerdem in der Wirtschaftskammer engagiert, "egal, was für eine Geschichte mir erzählt wird, mir geht es um das Wie".


Hör-Tipp
Menschenbilder, Sonntag, 14. Juni 2009, 14:05 Uhr

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