Mythen schützen das Tier

Der rosa Flussdelfin im Amazonas

Nur in wenigen Flüssen der Welt leben Delfine. Einer davon ist der rosarote Amazonasflussdelfin. Er hat ein gutes Auskommen im Amazonas und bevölkert auch die Nebenarme. Sein ökologischer Vorteil: Er kann auch in den überschwemmten Wäldern schwimmen.

Im Vergleich zu anderen Flussdelfinen wie dem indischen Flussdelfin im Ganges und Indus, oder gar dem chinesischem Flussdelfin im Jangtse, der als ausgestorben gilt, geht es dem Flussdelfin im Amazonas prima. Denn er wird nicht gegessen, also auch wenig gefischt.

Außerdem lebt er in unvergleichlich sauberem Wasser, denn im Amazonasgebiet gibt es wenig Industrie, kaum Großstädte und wenig Landwirtschaft. Und nicht zuletzt wird er von der Flussbevölkerung als mystisches Tier verehrt.

Ein mythisches Wesen

Maria Lúcia Carvalho ist Köchin in einem Öko-Hotel, das auf einem großen Floß in einem Amazonasnebenarm in der Nähe von Manaus steht. Sie erzählt: "Wenn er sich in eine Frau verliebt, kommt er nachts, um mit dieser Frau zusammen zu sein. Die Frau schläft ein und bemerkt nichts. Er schläft mit der Frau und dann geht er weg. Jede Nacht kommt er wieder. Wenn man nicht aufpasst, nimmt er die Frau hinab zum Flussgrund, wo sein zu Hause ist. Es soll verzaubert sein. Wir finden ihn nicht böse. Wir haben Respekt vor dem Flussdelfin, denn er ist Teil des Wassers, er ist der König des Wassers. Man darf die Delphine nicht ärgern, dann ärgern sie zurück."

Die Wissenschaftlerin Vera da Silva hat Verständnis für die Mythen um den rosa Flussdelfin. "Viele Menschen glauben an diesen verzauberten Ort und denken, dass die Seelen der Ertrunkenen dorthin gehen. Sie denke, die Seelen stehen als Flussdelfine wieder auf."

Verhalten und die Physiologie

Die Arbeitsgruppe von Vera da Silva beobachtet im Moment etwa 400 markierte Tiere. Der rosa Flussdelfin ist vor Millionen von Jahren in das Amazonasbecken eingewandert. Er atmet wie alle anderen Waltiere Luft aus der Atmosphäre und muss deswegen regelmäßig an die Wasseroberfläche.

"Wir entnehmen den Tieren biologisches Material für Studien, Blut, Milch und so weiter. Per Ultraschall untersuchen wir, ob die Weibchen trächtig sind und notieren die Größe des Fötus. Wir untersuchen das Blut pathologisch und hormonell, und dann geben wir die Tiere zurück in den Fluss," so Vera da Silva. Über das Verhalten und die Physiologie dieser Flussdelfinart im Amazonas ist noch wenig bekannt. Sie leben eher allein.

"Du kannst am Morgen eine Gruppe beobachten, die am Nachmittag, oder schon eine Stunde später, völlig anders zusammen gesetzt ist. Sie haben also keine Gruppentreue, wie beispielsweise die Schwertwale, die Orcas, die in matrilinearen Gruppen leben, wo die Weibchen bei den Muttertieren bleiben und die Männchen in eigenen Gruppen. Die rosa Flussdelfine binden sich nicht, sie bleiben nicht lange Zeit zusammen." Nur das Muttertier betreut das Junge fast zwei Jahre lang.

Evolutionärer Vorteil

Der evolutionäre Vorteil de rosa Flussdelfine ist ihre Wendigkeit, erleichtert durch Halswirbel, die nicht verwachsen sind. So kann sich das Tier in den halbjährlich überschwemmten Wäldern mühelos bewegen. Stark vom Kopf abgesetzt ist sein stabförmiger, langer, zahnbesetzter Schnabel. Auch Barthaare trägt er auf dem Schnabel, sie sind unter Wasser eine Art Tastinstrument. So schwimmt er behände zwischen Baumstämmen, Wurzeln und Blätterwerk hindurch auf der Jagd nach Nahrung.

58 Fischarten stehen auf dem Speiseplan des Flussdelfins, hat Biologin Vera da Silva herausbekommen. Die Artenvielfalt am Amazonas ist enorm. Dort sind über 3.500 Fischarten zu finden. In Westeuropa dagegen leben in den Flüssen nur etwa 60 Fischarten.

Seit kurzem doch gefährdet

Vor drei Jahren wurde der Flussdelfin plötzlich in die Liste der gefährdeten Arten aufgenommen. Denn in Brasilien droht dem Flussdelfin von ganz unverhoffter Seite Gefahr. Es sind die vielen großen Wasserkraftwerke, die die brasilianische Regierung unter Präsident Lula im Amazonasgebiet plant.

Sie werden die Nahrungsgebiete und Kinderkrippen der rosa Flussdelfine voneinander trennen. Der Radius der mobilen Tiere wird eingeschränkt, und somit ihre Fortpflanzung behindert. Dazu kommt, dass Fischer das Fleisch des Flussdelfins als Köder für den Fischfang entdeckt haben. Nun ist dieses hübscheste und merkwürdigste Flusssäugetier des Amazonas, sein lateinischer Name lautet Inia geoffrensis, doch gefährdet.

Hör-Tipp*
Dimensionen, Mittwoch, 15. Juli 2009, 19:05 Uhr

Links
WWF - Der Amazonas-Flussdelfin