Maria Lassnig zum 90. Geburtstag

Die Feder ist die Schwester des Pinsels

Die Malerin, Zeichnerin und Trickfilmerin Maria Lassnig wurde 1919 in Kärnten geboren. Sie ist heute eine der wichtigsten österreichischen Vertreterinnen der zeitgenössischen Kunst, die Anerkennung in Österreich ist aber erst sehr spät gekommen.

"Am Anfang hat mir überhaupt alles gefallen", erinnert sich Maria Lassnig. "Mein Gott - ich bin vom Ursulinenkloster gekommen, wo man keine Bilder gesehen hat. Da war keine Spur von Kunsterziehung."

Ihr Talent ließ sich allerdings nicht lange verbergen: "Dass ich talentiert war, das hat man dann in der Akademie wirklich bemerkt, weil ich mir ganz leicht getan habe. Ganz leicht."

Arm am Bauernhof

Lassnig wurde in einem Kärntner Bauernhaus geboren, ihre Mutter ist eine "illegitime Mutter" gewesen. "Sie hat mich am Land zur Welt gebracht und ist dann wieder in die Stadt gefahren und hat mich der Großmutter überlassen", erzählt Lassnig. "Und die Großmutter war so ein armes Weiberl und hat sich nicht viel kümmern können um mich."

Talent lässt sich nicht verbergen

Einem Freund Lassnigs, der in Wien die Architekturschule besuchte, fiel ihr Talent auf und der meinte: "Ja, du solltest eigentlich auf die Akademie." Als ein Professor der Akademie ihre Zeichnungen sah, sagte er nur: "Kommen sie zur Aufnahmsprüfung. Unbedingt!"

Die Aufnahmsprüfung hat Maria Lassnig bestanden, ging aber an der Akademie - unbewusst aber doch bewusst - ihren eigenen, persönlichen Weg. Sie versuchte, die sogenannte "Ton in Ton-Malerei", die zur damaligen Zeit bevorzugt wurde, zu verlassen und verstärkt mit reineren, kräftigeren Farben zu arbeiten. Die Auseinandersetzung mit den Farben - die Erarbeitung eines Farbsehens - hat Lassnig retrospektiv als ihr erstes intellektuelles Erlebnis bezeichnet.

Von 1941 bis 1943 ist sie in der Meisterklasse von Wilhelm Dachauer an der Wiener Akademie der bildenden Künste, der wirft sie aber hinaus. Ihr Studium führt Maria Lassnig dann bei Ferdinand Andri und Herbert Boeckl weiter. 1945 kehrt sie nach Klagenfurt zurück. 1948 findet in Kärnten eine erste Einzelausstellung von Maria Lassnig statt, in der Körperbewusstseinszeichnungen und kleine surreale Figurenkompositionen gezeigt werden. In dieser Zeit verkauft Lassnig ihr erstes Bild.

Männerdomäne Kunst

In der Galerie nächst St. Stephan hat ab 1954 Monsignore Otto Mauer die österreichische Avantgarde gefördert und ausgestellt. Maria Lassnig muss sich in einer Männerdomäne durchsetzen.

"Jaja des waren die Helden", erinnert sich Lassnig. "Und nachdem ich mit dem Rainer so ein bissl enger befreundet war, bin ich immer dabei gewesen beim Mikl und beim Hollegha und so weiter. Und... na ja, der Monsignore Mauer, der ist natürlich als Mann, ein Macho gewesen. (...) Aber später hat mich der Monsignore trotzdem geholt für eine Ausstellung, weil ich ja schon sehr viel gemalt hab. Und das waren eigentlich immer große Erfolge und es sind viele Sachen verkauft worden."

Äußerer und innerer Eindruck

Wenn man die Bilder von Maria Lassnig erklären möchte, dann bewegt man sich auf "gefährlichem" Terrain, denn die Künstlerin schätzt oberflächliche Interpretationen gar nicht. Bei Maria Lassnig verschmilzt der äußere mit dem inneren Eindruck, die Wahrnehmung der Malerin geht über die Äußerlichkeit hinaus.

Maria Lassnig hat zahlreiche Selbstporträts geschaffen. So sieht man sie etwa auf einem Bild aus dem Jahr 1972 "unter Plastik" - Das Gesicht ist umhüllt mit durchsichtigem Plastik. Das Porträt entstand, nachdem Lassnig in den amerikanischen Supermärkten in Plastik verpacktes Obst gesehen hatte.

Nicht verschönen

In ihren Bildern strahlt die Malerin eine unerschütterliche Schönheit aus. Die Frage, ob sie sich für schön hält, überrascht sie dennoch: "Ich mich? Um Gottes Willen... Ich tu mich meistens verhässlichen. Wirklich! Die Jugendselbstporträts, die sind eigentlich alle nicht verschönt. Und ich glaube, wenn ein Mensch hässlich geboren ist, kann er sehr schön werden. Deshalb hab ich auch, zum Beispiel, das Märchen 'Das hässliche Entlein' so gern gehabt, weil ich selber ein hässliches Entlein war. (...) Na und jetzt glaube ich, weiß ich zum Beispiel besser, welche Haartracht ich tragen soll. Als 19-Jährige habe ich das nicht gewusst. Ich war nicht eitel. Leider Gottes! Wahrscheinlich hab ich deshalb keinen Mann gekriegt, der an mir picken geblieben ist."

Kunst ist nicht sammelbar

Maria Lassnig ist heute eine international gefragte Künstlerin, die Anerkennung kam zwar spät, aber umso "stürmischer". Erst im Frühjahr 2009 hat das MUMOK der Künstlerin eine große Personale gewidmet.

Die Beziehung zu Sammlern ihrer Bilder kann man aber durchaus als ambivalent bezeichnen: "Das Wort 'sammeln' ist mir immer ganz verdächtig vorgekommen. Mein Gott, man kann Bierflaschen, Bierdeckel sammeln oder so etwas, aber keine Kunst. Ich hab leider schreckliche Erfahrungen in der Beziehung, weil die Leute, meist nach den Titeln kaufen. Zum Beispiel, der Klewan, der hat sehr viel von mir gekauft, aber meist nach dem Titel. Wenn es geheißen hat 'Der fröhliche Österreicher', hat er's sofort gekauft. Dass sich jemand so richtig in ein Werk verliebt, das hab ich noch nie bemerkt."

Erstausstrhalung

Menschenbilder, Sonntag, 6. September 2009, 14:05 Uhr