Sonic Zones - Teil 10 - Zeitzone +11

Musik vom Ende der Welt

Zum 20-jährigen Jubiläum des Mauerfalls laden Anna Ceeh und Franz Pomassl von Laton zur Entdeckungsreise in jenes Musik-Territorium ein, das die UdSSR ausgemacht hat. Heute geht es in die entlegendste Region, die die beiden jemals besucht haben.

Sonic Zones Teil 10 zum Nachhören

In der zehnten Folge der Reihe Sonic Zones geht es in die Stadt Magadan im fernen Nordosten Russlands, in die "entlegendste Region", die sie bislang besucht hätten, wie Anna Ceeh und Franz Pomassl unterstreichen. Selbst die Russinnen und Russen seien der Meinung, dass diese Stadt am Ende der Welt liegen würde, so Ceeh.

Alt ist sie gerade einmal rund hundert Jahre. In der Sowjetzeit war Magadan eine wichtige Hafenstadt, und traurige Wegmarke für unzählige Gefangene auf ihrem Weg in den nahe gelegenen gefürchteten Gulag. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR verlor der Hafen von Magadan schnell an Bedeutung und die Menschen dort ihre Existenzgrundlage.

"Das Leben der Menschen in Magadan ist alles andere als rosig", so Anna Ceeh. "Rosig, bzw. rot ist dort nur der Kaviar. Viele glauben ja, dass dieser aus Wladiwostok kommt. Dort wird er aber nur konserviert! Aus dem Meer gefischt wird der russische rote Kaviar in der Gegend rund um Magadan."

Ocean Club

Reich ist die Gegend rund um Magadan nicht nur an rotem Kaviar, sondern auch an Gold, vor Ort würde davon aber kaum jemand profitieren. Und was die experimentelle elektronische Musik betrifft, so sieht es in Magadan denkbar mager aus, beschreibt Franz Pomassl die triste Lage.

Franz Pomassl: "Man kann sich maximal in den Ocean Club verirren. Da legen ab und zu sogar DJs aus England auf. Ohne Gogo-Tänzerinnen auf der Bühne hat man dort aber vermutlich keinen Auftritt."

Moonaura
Eine Formation, die dem Experiment in der elektronischen Musik gegenüber aufgeschlossen ist, haben die beiden dann aber doch gefunden, nämlich Moonaura, deren Mitglieder es allerdings vorziehen, keine näheren Angaben zu ihrer Identität zu machen. Die Stücke von Moonaura lassen sich dem Ambient und der Drone Music zuordnen, und verfügen über eine markante "isolationistische Prägung", wie Pomassl beschreibt, die wohl auch etwas über die Verhältnisse erzählt, in denen sie entstanden sind.

Wie auch in den anderen Zeitzonen von Österreich aus gesehen hinter dem Ural, gäbe es in Magadan wenig bis gar keine Vorstellung davon, wie elektronische Musik live gespielt werden kann, führt Anna Ceeh weiter aus: "Weil es holt hier ja niemand die Geige aus der Tasche heraus und fängt an zu spielen. Zumindest die jüngere Generation sieht keinen Unterschied zwischen DJs und Produzenten elektronischer Musik. Da muss man wirklich erst jahrelang aufklären. In der Musik von Moonaura kann man zumindest den Willen zum Experiment spüren."

Verlassen
Nach Magadan, in diesen verlassenen Winkel im fernen Nordosten Russlands, legt praktisch kein Musiker einen Tour-Stopp ein. Es fehle daher an dem so wichtigen Input von außen, an Menschen die kommen und zeigen, wie das Musikmachen mit dem Computer funktioniert.

"Auf unseren vielen Reisen durch die ehemalige Sowjetunion haben wir die Erfahrung gemacht, dass es immer offene Ohren gibt, in jedem Winkel. Aber wenn niemand kommt und zeigt, wie man experimentelle elektronische Musik macht, dann kann auch nicht wirklich viel passieren", so Ceeh.

Am Ursprung
Als Anna Ceeh und Franz Pomassl in Magadan nach aktueller experimenteller elektronischer Musik gesucht haben, fanden sie zuerst einmal nichts, - und dann, neben dem Ocean Club und der Formation Moonaura eine Spur in die Vergangenheit, gewissermaßen zum Ursprung allen experimentellen elektronischen Musikschaffens in Russland, und zwar die Spur des berühmt berüchtigten Leon Theremin, Spion und Erfinder des Rhythmicons und des Theremins.

Anhand der Lebensgeschichte von Leon Theremin zeigt sich der mitunter paradoxe Lauf der Geschichte des Kalten Krieges. Während man im Westen den wie einen Popstar gefeierten Theremin bereits tot glaubte, war dieser im Gulag in Magadan inhaftiert, wo man sein außerordentliches technisches Talent erkannte. Dieses sollte ihm schließlich auch das Leben retten. Im Spezialgefängnis für Wissenschaftler, im Scharaschka nahe Moskau, entwickelte Theremin, auf den Bauplänen seines Theremins aufbauend, die erste Wanze, für die er schließlich sogar einen Stalin-Orden erhielt.

On Tour
Interessant sei die Geschichte Leon Theremins aber auch deshalb, ergänzt Franz Pomassl, weil dieser einer der Ersten war, der die weltumspannende Kraft der elektronischen Musik "als internationale Sprache" zu nutzen verstand. So wie auch Musikerinnen und Musiker heute, zog Theremin von Stadt zu Stadt, um dem jeweiligen Publikum vor Ort seine Erfindung zu präsentieren.

Hör-Tipp
Zeit-Ton, Sonic Zones, Mittwoch, 7. Oktober 2009, 23:03 Uhr

Veranstaltungs-Tipp
Club Zone mit CM von Hausswolff, Deficit, izc, Skeleton, Dabelka, Mr. Belk und Anna Ceeh, Freitag, 30. Oktober 2009, 19:00 Uhr, Wiener Secession

Links
MySpace - Club Zone
Laton
Secession
Youtube - Straße nach Magadan
MySpace - Moonaura
Theremin Center Moskau