Erlebtes, Erfundenes, Erzähltes

Ein wahres Bild von Angola?

Angolas Literaturszene von heute ist sehr bunt. Angolas Autoren schreiben und sind gleichzeitig Politiker, Künstler und Sportler. Und: ihre Gedichte, Romane, Kurzgeschichten, Krimis, Satiren und Kinderbücher werden nicht nur in Angola gelesen.

Angolas Literatur ist längst salonfähig geworden. Nichts mehr erinnert an die zwanghaften, vom Bürgerkrieg beherrschten Texte, oder an die mühsam zu lesenden Romane, in denen der Kampf um die Unabhängigkeit heroisiert wurde. Wenn diese Themen zur Sprache kommen, dann nebenbei, als Kulisse, als Erzählanlass.

Ein Meister dieser Art zu schreiben ist José Eduardo Agualusa. Zwei seiner Romane sind bislang ins Deutsche übersetzt und von der Kritik gefeiert worden. Wie die reichste Frau Luandas, eine ehemalige Sklavin, nach dem Tod ihres Mannes wieder zu Sklavin wird, ist ein Erzählstrang im Briefroman "Ein Stein unter Wasser". Und in seinem international sehr beachteten Roman "Das Lachen des Geckos" handelt ein einfallsreicher Geschichtsfälscher mit dem Erfinden von heroischen Familien-Vergangenheiten für einflussreiche Persönlichkeiten.

Zwischen den Welten

Agualusa pendelt. Er lebt und arbeitet nicht nur in Angola, sondern auch in Portugal und Brasilien. In dieser Hinsicht ist er nicht der einzige. Auch Gonçalo M. Tavares teilt sein Leben zwischen Angola und Portugal. Seine Bücher haben etwas Düsteres, als wäre es sein Hauptziel, die Leser zu schockieren.

Er versteht sich als Mahner, als einer, der der glatten, glitzernden Welt der digitalen Omnipräsenz die Angst vor dem Finsteren lehren will. Sein jüngstes Buch "Wasser, Hund, Pferd, Kopf" bringt Kürzest-Impressionen der dunklen Seite des Lebens. Ob es Zufall ist, dass alle Szenen in Luanda spielen?

James Bond mit gewaltigem Hinterteil

Auch nicht unbedingt der strahlenden Vorderseite hat sich der 1941 geborene Arthur Carlos Maurício Pestana dos Santos verschrieben, besser bekannt unter seinem "Nom de Guerre" Pepetela. Er dürfte ein generell positiv eingestellter Mensch sein, der sich zwar auch "ernsthaft" betätigt und Geschichten schreibt, um Kriegserlebnisse zur bewältigen, oder die angolanische Geschichte aufzuarbeiten. Aber sein Hauptaugenmerk ist das Lachen.

1985 veröffentlichte er "Der Hund und die Leute von Luanda", eine Sammlung von Episoden rund um einen herrenlosen Hund, der sich verschiedensten Menschen für eine Zeitlang anschließt, etwa einem Entwicklungshelfer, einem kleinen Jungen oder einer Sambagruppe, deren erbärmlicher Performance er durch sein Mitwirken zum ersten Preis verhilft. Pepetelas letzter Coup: die James Bond Parodie um den jungen "Denker" Jaime Bunda. Wobei sich Bunda in erster Linie auf das gewaltige Hinterteil des Helden bezieht.

Olympia und Science Fiction

Bei uns kaum bekannt ist Francisco José Ribeiro Lopes dos Santos, ein Multitalent mit vielen Namen und Gesichtern. Als Francicso Santos dürfte er Sportinteressierten bekannt sein: er hat erfolgreich als Schwimmer an den olympischen Spielen in Moskau 1980 teilgenommen. Kunstbegeisterte könnte ihn als Xesko kennen, Liebhaber von Gedichten als Elias Karipande, Fantasy- und Science-Fiction-Fans als Alan J. Banta. Er veröffentlicht Englisch und Portugiesisch.

Noch ein Multitalent ist Ondjake. Er ist Autor, Maler, Schauspieler, Verleger. In seinem Jugendbuch "Bom Dia Camaradas" erzählt er, wie es in seiner Jugend zugegangen ist im sozialistischen Angola. Seine Hauptfigur nannte er so, wie er selbst getauft wurde: Ndalu, und man kann davon ausgehen, dass er einige der Episoden, von denen der kleine Hauptstadtbewohner erzählt, selbst erlebt hat.

Die "Botschaft der Pioniere an die Arbeiter am 1. Mai" zum Beispiel, die der zwölfjährige Ndalu zwar selbst verfasst hat, die er aber dann nicht vorzulesen braucht, weil die Radiofrau ihm einen schöner formulierten Text gibt. Oder die Sache mit den kubanischen Lehrern, die immer wieder spanische Worte in ihr Portugiesisch mischen und so ihre Schüler zum Lachen bringen. Oder auch der Besuch des Schulinspektors, der zwar überraschend stattfinden soll, aber bis ins Kleinste durchgeplant wird. Situationen, die Schulkinder überall auf der Welt ähnlich erleben.

Vom Häfn-Literaten zum Präsidenten

Erwähnt werden muss schließlich noch der 1935 geborene José Luandino Vieira, ein Portugiese, dessen Eltern nach Angola ausgewandert sind, und der dann geblieben ist, um mitzuhelfen, die Unabhängigkeit von Portugal zu erlangen. Er landete nach einem Interview, in dem er unvorsichtigerweise militärische Geheimnisse verraten hatte, im Gefängnis.

Elf Jahre war er weggesperrt, und in jener Zeit begann er zu schreiben. Sein berühmtestes Buch, "Das wahre Leben des Domingos Xavier", schildert das Leben der einfachen Menschen im kolonialen Angola. Nach seiner Haftentlassung wurde er Präsident der angolanischen Schriftstellervereinigung und verhalf vielen seiner Kollegen zu Publikationsmöglichkeiten.

Service

José Eduardo Agualusa, "Das Lachen des Geckos", A1 Verlag

José Eduardo Agualusa, "Ein Stein unter Wasser", dtv

Gonçalo M. Tavares, "Wasser, Hund, Pferd, Kopf", Verlag Der Apfel

Pepetela, "Der Hund und die Leute von Luanda", Edition südliches Afrika.

Pepetela, "Jaime Bunda, Geheimagent", Unionsverlag.

Ondjaki, "Bom día camaradas. Ein Jugendroman aus Angola", Baobab

José Luandino Vieira, "Das wahre Leben des Domingos Xavier", Lembeck

Xesko