Noch immer die Ausnahme

Frauen auf dem Gipfel

Ob Wissenschaft oder Wirtschaft, am geringen Frauenanteil in den oberen Etagen ändert sich trotz jahrzehntelanger heftiger Diskussionen nur erstaunlich wenig. Auch die vieldiskutierte Frauenquote ist kein Allheilmittel. Was bedingt Frauenkarrieren?

Ende Oktober kam der Global Gender Gap Report 2009 heraus. Im Auftrag des World Economic Forums wurde in 134 Staaten erhoben, wie diese Länder ihre Ressourcen auf Frauen und Männer verteilen. Österreich liegt im internationalen Vergleich auf dem wenig rühmlichen 42. Platz. Und ist dorthin im Vergleich zum Vorjahr auch noch deutlich abgestürzt - 2008 war es noch Platz 29.

Wie es dazu kommt, zeigen die Details: Der Global Gender Gap Report misst die Ressourcenverteilung zwischen den Geschlechtern in vier Bereichen. Was Gesundheit und Lebenserwartung betrifft, liegt Österreich auf Platz 1 - gemeinsam mit 38 anderen Ländern. Immer noch ins obere Feld kommt Österreich mit Platz 23 bei der politischen Teilhabe.

Schlechter sieht es laut Report beim Bildungsniveau aus, also dem Zugang zu Grundbildung und höherer Ausbildung. Da erreicht Österreich Platz 78 - allerdings liegen die ersten rund 100 Ränge sehr knapp beieinander auf sehr hohem Niveau. Für den schlechten Platz in der Gesamtwertung ist aber vor allem der vierte gemessene Faktor verantwortlich: die wirtschaftliche Partizipation und Chancengleichheit, sprich Arbeitseinkommen, Partizipationsquote und Zugang zu hochqualifizierter Arbeit. Hier kommt Österreich unter den 134 untersuchten Ländern hinter Surinam und vor Malaysien auf Platz 103.

Nach drei Jahren öffnet sich die Schere

Guido Strunk ist Psychologe und Ökonom am Forschungsinstitut für Gesundheitsmanagament und Gesundheitsökonomie der Wirtschaftsuniversität Wien. Er arbeitet auch mit beim Nationalen Aktionsplan für Gleichstellung von Männern und Frauen am Arbeitsmarkt, den das Frauenministerium ins Leben gerufen hat. Vor fast zwanzig Jahren hat er eine Langzeitstudie zum Karriereverlauf begonnen. Untersuchungsgruppe waren Absolventinnen und Absolventen der Wirtschaftsuni Wien des Jahrgangs 1990.

Ungefähr die ersten drei Jahre verlief bei Frauen und Männern alles vergleichbar. Sie hatten es mehr oder weniger gleich schwer, einen Job zu finden, die Einstiegsgehälter waren ähnlich und blieben es auch die ersten paar Jahre.

Dann, nach etwa drei Jahren, beginnt allerdings eine Schere aufzugehen. Zehn Jahre nach dem Berufseinstieg hatten die Männer schließlich im Schnitt bereits 65.000 Euro mehr verdient als die Frauen. Diese Zahl ist bereits um etwaige Verdienstentgänge wegen Karenzzeiten bereinigt.

Was verhindert die Chancengleichheit der Geschlechter?

Offene Diskriminierung ist selten geworden. Wenige Frauen bekommen heute noch den Satz zu hören, sie könnten etwas nicht so gut wie Männer, allein aus dem Grund, weil sie Frauen seien. Und vielleicht denken das so explizit auch nicht mehr besonders viele.

Die Informatikerin Edeltraud Hanappi-Egger leitet die Abteilung für Gender und Diversitätsmanagement der Wirtschaftsuniversität Wien. Wirklich neu sind die wenigsten der Erkenntnisse, was die Chancengleichheit der Geschlechter verhindert. Dass die Gründe alt bekannt sind, heißt aber noch lange nicht, dass sie schon aus dem Weg geräumt worden wären.

Zum Beispiel Vereinbarkeit: die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie ist hierzulande nach wie vor nahezu ausschließlich ein Thema, mit dem sich Frauen auseinanderzusetzen haben. Nicht einmal fünf Prozent aller Väter machen von der Möglichkeit Gebrauch, in Karenz zu gehen.

Männer fördern Männer

Dieser Satz galt lange Zeit als Erklärung, warum Männer eher die Karriereleiter erklimmen. Weil oben ein Mann säße, der gerne seinesgleichen beim Aufstieg hilft. Da wisse er, woran er sei. Aber mit den ersten Frauen, die es doch irgendwie in Führungspositionen geschafft haben, zeigte sich: auch Frauen fördern Männer.

Die Frauen, die es dennoch "geschafft" haben, gelten nach wie vor als Besonderheiten und werden immer wieder gebeten, zu erklären, wie ihnen ihr Ausnahmeerfolg gelungen ist.

Geschlechterunterschiede

Janet Hyde von der University of Wisconsin verglich insgesamt 46 Meta-Analysen über Geschlechterunterschiede, die wiederum auf Einzeluntersuchungen über Intelligenz, Sprachvermögen, soziale und psychologische Eigenschaften, motorische Fähigkeiten bis hin zu moralischem Empfinden beruhten. Und siehe da: die lange Liste angeblich angeborener Unterschiede ist laut Hydes Meta-Meta-Analyse schlichtweg völlig übertrieben.

Aus Behauptungen wie: Frauen können von Natur aus schlechter einparken und nicht räumlich denken, Männer lernen weniger leicht Sprachen und sind überhaupt nicht so kommunikativ - kurz, Frauen kämen von der Venus und Männer vom Mars - mögen sich zwar einträgliche Bestseller basteln lassen, sie sind nur einfach Großteils falsch.

Insgesamt gibt es deutlich mehr Studien, die belegen, dass die Unterschiede im Verhalten innerhalb eines Geschlechts statistisch größer sind als die zwischen den Geschlechtern. Was können die Untersuchungen über behauptete Unterschiede zwischen Frau und Mann für die einzelne und den einzelnen dann überhaupt erklären?

Eigentlich nicht besonders viel, lautet ein weiterer Schluss aus ihrer Meta-Analyse, aus der Janet Hyde auch folgende Warnung vor griffig formulierten Mars-Venus-Thesen ableitet: "Diese Behauptungen können die Möglichkeiten von Frauen am Arbeitsplatz einschränken, sie bringen Paare davon ab, ihre Konflikte und Kommunikationsprobleme zu lösen zu versuchen, und sie führen zu völlig unnötigen Erschwernissen, die das Selbstvertrauen von Kindern und Heranwachsenden verletzten können."

Hör-Tipp
Salzburger Nachtstudio, Mittwoch, 4. November 2009, 21:01 Uhr