"Schlecht vorbereitet" sagen die Parlamentarier

Neelie Kroes vor dem EU Parlament

Als EU-Wettbewerbskommissarin hat sich Neelie Kroes mit Regierungen und Konzernen angelegt. Jetzt soll sie die "Digitale Agenda" übernehmen. Letzten Donnerstag musste sie sich vor dem EU-Parlament präsentieren. Und fiel, überraschenderweise, durch.

Auf dem blauen Rüschenjacket trug Neelie Kroes als Brosche ein großes silbern glitzerndes Fragezeigen. Denn schließlich sei es für sie ja noch offen, ob sie vom Europäischen Parlament tatsächlich als Kommissarin für die digitale Agenda bestätigt werde, erklärte sie auf Anfrage einer Parlamentarierin.

Viele Fragezeichen hinterließ Kroes dann auch bei ihrer Anhörung. "Frau Kommissarskandidatin, ich hab die Debatte jetzt aufmerksam verfolgt und ich muss sagen, dass mir da noch viele Fragen offen sind und konkrete Aussagen fehlen", beschwerte sich etwa die deutsche Abgeordnete Angelika Niebler von der Europäischen Volkspartei, die als eine der letzten Fragesteller/innen an der Reihe war.

Unklare Aussagen zu Roamingtarifen

Zum Beispiel, wie die designierte Digital-Kommissarin gegen die extrem unterschiedlichen und teilweise enorm überhöhten Roamingtarife von Mobilfunkbetreibern vorgehen wolle. Erst im Herbst hat die EU ein Telekompaket verabschiedet, das dem einen Riegel vorschieben hätte sollen. Aber das scheint bislang nicht recht zu greifen.

"Wenn der Abschlussbericht im Jahr 2011 zeigt, dass das alles ein Desaster war und nicht funktioniert hat, dann müssen sich die Unternehmen darauf einstellen, dass wir handeln werden", sagte Kroes. Wie dieses Handeln aussehen wird, das verriet Neelie Kroes, trotz mehrerer Nachfragen, nicht.

Netzneutralität als Herzensangelegenheit

Viele Abgeordnete wollten auch wissen, wie es die designierte Kommissarin mit Netzneutralität hält, also ob Internet-Provider bestimmte Dienste von Konkurrenzunternehmen - zum Beispiel skype - ganz einfach blockieren dürfen. Hier ist sie sich sicher - zumindest was die grundsätzliche Ausrichtung angeht: "Nein, nur aus Sicherheitsgründen, aber nicht aus kommerziellen", sagt Kroes und erklärt dieses Thema zur Herzensangelegenheit: "Ja, ich bin sehr für die Netzneutralität. Und ich hab Ihnen ja vorhin schon erzählt: Ich habe in meinen Unterlagen, ein kleines Herz neben das Kapitel 'Netzneutralität' gemalt." Was sie aber genau zur Sicherung der Netzneutralität unternehmen wolle, erfuhren die Abgeordneten nicht.

Breitbandnetze bis in die hintersten Winkel Europas

Etwas konkreter wird Neelie Kroes, wenn es um den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen geht: Bis zum Jahr 2013 sollen alle Europäer und Europäerinnen Zugang zu Breitbanddiensten haben. In abgelegen Regionen, die für private Unternehmen unrentabel sind, soll der Ausbau durch öffentliche Gelder finanziert werden.

"Das ist aus zwei Gründen wichtig", erklärte Kroes, "einerseits weil es unsere Wettbewerbsfähigkeit erhöht, aber auch weil es eine gute Möglichkeit darstellt, Wirtschaftswachstum anzukurbeln und Arbeitsplätze zu schaffen." Am liebesten würde sie mit dem Ausbau gleich morgen beginnen, fügt sie hinzu.

Fleckerlteppich Binnenmarkt

Als einen weiteren Schwerpunkt ihrer künftigen Arbeit will Kroes einen einheitlichen europäischen Binnenmarkt schaffen. Denn so Dinge wie Musik bei iTunes herunterladen, sind derzeit zum Beispiel für viele Osteuropäer nicht möglich.

"Der europäische Online Markt ist derzeit ein unregelmäßiger Fleckerlteppich von nationalen Märkten. Und um es diplomatisch auszudrücken: Die unterschiedlichen Regulierungen schaffen eine Zwangsjacke. Das frustriert die Konsumenten und behindert die Wirtschaft." Erste Verhandlungsergebnisse mit Apple und Amazon sind bereits erzielt worden, sagt Neelie Kroes.

Zweite Runde am Dienstag

Ansonsten gab es wenig über konkrete Maßnahmen zu hören, dafür viel Grundsätzliches. Zum Beispiel: Ja zu offenen Standards, Interoperabilität und dem Schutz von geistigem Eigentum. Mehr Förderung von Forschung und Entwicklung, mehr ältere Menschen und einkommensschwache Haushalte sollen Zugang zum Internet bekommen. Und die elektronischen Dienstleistungen des öffentlichen Sektors sollen verbessert werden.

Die EU-Abgeordneten - insbesondere die Konservativen - konnte die Liberale mit ihrer Performance aber nicht so ganz überzeugen. Daher muss sie sich am Dienstag, den 19. Jänner 2010, einer weiteren Anhörung stellen. Das Fragezeichen am Jacket war also gerechtfertigt.

Hör-Tipp
Digital.Leben, Montag bis Donnerstag, 16:55 Uhr

Links
Europäisches Parlament - Die Anhörungen
Europapar TV - Parliament Live

Übersicht