Wo ist es am kältesten?

Über Regen- und Kältelöcher

Wo hat es in Österreich am meisten geregnet? Diese Frage ist nicht eindeutig zu beantworten. Dabei sind gerade die absoluten Maxima von Regen oder Schneefall von großer Bedeutung, um zum Beispiel die Größe von Kanalnetzen richtig zu dimensionieren.

Über dem Atlantik befand sich ein barometrisches Minimum; es wanderte ostwärts, einem über Russland lagerndem Maximum zu, und verriet noch nicht die Neigung, diesem nördlich auszuweichen. Die Isothermen und Isotheren taten ihre Schuldigkeit...

Das Robert Musil seinen Roman "Der Mann ohne Eigenschaften" so einleitet, kommt nicht von ungefähr. Vor 100 Jahren wurden Wetterberichte durchaus als literarische Kunstwerke gesehen. Die Vorhersage des Wetters war nur ein schöngeistiges Begleitthema neben klimatologischen und astronomischen Erklärungen in epischer Breite. Im Vordergrund stand damals das Beobachten und nicht das Vorhersehen, denn mangels Rechenmaschinen waren noch keine ausreichend guten Prognosen möglich.

600 Liter Regen pro Quadratmeter

Am 10. August 1915 hätte man jedenfalls im Semmering-Wechselgebiet alles andere als einen "altmodisch schönen Augusttag" erlebt, wie ihn Musil in seinem Mann ohne Eigenschaften beschreibt. Es gab nämlich ein extremes Naturschauspiel: südlich des Wechsels, in Schaueregg - nomen est omen - regnete es bei einem schweren Unwetter innert drei Stunden so viel wie normalerweise in Wien in einem ganzen Jahr.

Etwas über 600 Liter Regen pro Quadratmeter wurden von Wasserbaufachleuten rekonstruiert. Dieser Niederschlagswert ist nicht nur deswegen beachtlich, weil er die größte je gemessene Tagesniederschlagsmenge österreichweit bedeuten würde, sondern er wäre - für den Zeitraum von drei Stunden - sogar ein Regenweltrekord!

Mangels geeichter Messgeräte, statt Ombrometer mussten Badewannen oder Wasserrinnen zur Abschätzung der Regenmengen herangezogen werden, lässt sich dieses Extremereignis aber nur schwer wissenschaftlich exakt einordnen. Deswegen wurde das "Schaueregg-Ereignis" auch nicht von der WMO (World meteorological Organisation) als Regenrekord akzeptiert.

Minus 37 Grad und kälter

Bei den Lufttemperaturen wird das "alltime-low", also die tiefste je in Österreich gemessene Temperatur seit jeher Zwettl in Niederösterreich zugeschrieben. Hier wurden im Stift im Februar 1929 minus 37 Grad gemessen. In Wahrheit sind damit aber die wahren Kältelöcher in Österreich bei weitem noch nicht erfasst.

Bei meteorologischen Feldexperimenten in Dolinen der niederösterreichischen Kalkalpen konnten noch deutlich tiefere Temperaturen gemessen werden, minus 52,6 Grad etwa 1932 in den Göstlinger Alpen.

Dolinen sind schüsselförmige Senken, Karsttrichter, in denen die Bedingungen für Extremtemperaturen ideal sind. Wenn im Winter kein Sonnenlicht die bodennahe Schicht der Doline erreicht, die Nächte windstill und klar sind, und gleichzeitig polare Kaltluft in den Alpenraum strömt, dann sind alle Zutaten beisammen, um auch in Österreich Temperaturen unter minus 50 Grad zu erreichen. Das sind Tiefstwerte, die selbst in Lappland, der kältesten Region Europas, nicht unterboten werden.

Die Bedeutung von Wetterextremen

Lokale Klimaextreme wie Regen- und Schneerekorde oder Sturmereignisse spielen bei der Planung und Umsetzung von Bauvorhaben eine zentrale Rolle, etwa bei der Dimensionierung von Kanalanlagen oder Dachkonstruktionen.

Aber auch in der aktuellen Klimadebatte ist die Frage, "werden Extremereignisse häufiger und heftiger", von herausragender Bedeutung. Kommen Regenmengen wie beim katastrophalen "Jahrhundert"-Hochwasser 2002 tatsächlich nur alle paar hundert Jahre vor, oder muss man die Methoden zur statistischen Einordnung dieser Ereignisse hinterfragen, gerade angesichts des sich ändernden Klimas?

Wetterextreme sind gleichzeitig grandioses Naturschauspiel und das Salz in der Suppe der täglichen Prognosearbeit, oft bringen sie jedoch auch schreckliche Katastrophen. Auf alle Fälle stellen sie die Wissenschaft vor immens spannende aber auch sehr schwierige Fragen.

Hör-Tipp
Dimensionen, Dienstag, 23. März 2010, 19:06 Uhr