Österreich 1848-1938

Frauen bewegen Politik

Gabriella Hauch untersucht nicht nur, wie sich Frauen politische Handlungsräume erkämpft haben, sondern auch, welche Allianzen und welche Differenzen es zwischen den engagierten Frauen aus den unterschiedlichen Schichten und politischen Lagern gab.

"Notwehr" nannte der 1926 in Wien gegründete "Bund für Männerrechte" seine Zeitschrift, in der er gegen die "Versklavung der Männer durch feministische Gesetze" wetterte. Unterstützt von männlichen Abgeordneten aus allen Parteien durfte sich der neue Verein im März 1926 sogar im Parlament gegen eine "auf die Spitze getriebene Frauenemanzipation" aussprechen. Ein besonderer Dorn im Auge war ihm die neue Pflicht von Vätern, Alimente für uneheliche Kinder zu zahlen - eine Regelung, die weibliche Abgeordnete kurz zuvor erfolgreich erwirkt hatten.

Frauen mussten unter sich bleiben

Dass sich Männerrechtler von Parlamentarierinnen in die Enge getrieben fühlten - das war in den 1920er Jahren noch neu. Bis Frauen politischen Einfluss im Nationalrat bekamen, war es ein langer Weg - ein Weg, den Gabriella Hauch in ihrem Buch "Frauen bewegen Politik" bis ins Jahr 1848 zurückverfolgt. Als sich während der Revolutionsmonate für einen kurzen Moment gesellschaftspolitische Fenster öffneten, forderten auch die Frauen öffentlich Gleichberechtigung und organisierten sich in politischen Vereinen. Dabei mussten sie allerdings unter sich bleiben:

"Wir haben 1848 die Gründung eines Demokratischen Vereins, und in diesem Demokratischen Verein waren ganz automatisch nur Männer Mitglied", so Gabriella Hauch. "Und wir haben in weiterer Folge die Gründung eines Spezialvereins, des Wiener demokratischen Frauenvereins, was schon vom Namen her darauf hinweist, dass das allgemeine nur von Männern besetzt wurde und Frauen praktisch einen eigenen Frauenraum für sich gründen mussten."

Vordergründig Berufs- und Bildungsvereine

Doch auch mit diesem eigenen politischen Raum war es nach der Niederschlagung der Revolution fürs erste vorbei. Die Vereinsgesetze nach 1848 legten fest, dass "Frauenspersonen" weder alleine noch gemeinsam mit Männern Mitglieder in politischen Vereinen werden durften.

Als "unpolitisch" definiert, fanden Frauen dennoch Mittel und Wege, um sich zu organisieren. Wohltätigkeitsvereine, Berufs- und Bildungsvereine boten einen vordergründig unpolitischen Rahmen für die Arbeit der Frauenbewegungen, die sich in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zu formieren begannen. Den Plural "Frauenbewegungen" zu betonen, ist der Linzer Professorin für Frauen- und Geschlechterforschung wichtig:

"Der oft gebrauchte Sager 'Frau sein allein ist kein Programm' ist natürlich auch Wirklichkeit und Wahrheit. Und obwohl diese Frauen per Geschlecht kategorisiert, sogar stigmatisiert wurden, haben sie sich ausdifferenziert entlang verschiedener politischer Interessen, entlang verschiedener sozialer Herkunft."

Männerwahlrecht vor Frauenwahlrecht

Frauensolidarität und Parteitreue gerieten bei den frühen Aktivistinnen nicht selten in Konflikt. Eindrucksvoll schildert Gabriella Hauch, wie etwa die frühe sozialdemokratische Frauenbewegung um Anerkennung bei den Parteigenossen kämpfte - und im Jahr 1905 ihre Forderung nach dem Frauenwahlrecht zurückstellen musste, weil das allgemeine Männerwahlrecht alleine bessere Aussichten auf Durchsetzung versprach. Dennoch konnten die politisch aktiven Frauen vor dem Ersten Weltkrieg auch immer wieder Teilerfolge verbuchen - selbst in den Gewerkschaften, wo man Frauen als vermeintlichen "Lohndrückerinnen" besonders reserviert gegenüber stand.

"Wir haben erste Erfolge bei der Durchsetzung von höheren Löhnen und Arbeitszeitverkürzungen", so Hauch. "Wir haben als Erfolge auch zu verbuchen, das erste weibliche Fabriksinspektorinnen eingesetzt worden sind, die sich nicht nur die Arbeitsbedingungen damals angesehen haben in den Fabriken, sondern auch Delikte wie sexuelle Belästigung verfolgt und angezeigt haben."

Parlamentsarbeit für Frauen ungemein schwieriger

Als 1918 die Republik Österreich ausgerufen wird, ist ein gemeinsames Ziel aller Frauenbewegungen erreicht: die Einführung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts. Auch der Paragraph 30 im Vereinsrecht, der Frauen die Mitgliedschaft in politischen Vereinen untersagt, fällt.

Formal-juristisch endet damit die Ausgrenzung von Frauen aus den institutionalisierten politischen Räumen. Praktisch bleibt es aber für die ersten weiblichen Abgeordneten schwierig, sich im Männerraum Parlament durchzusetzen, wie Gabriella Hauch im zweiten Teil ihres Buches schildert - zumal viele Mandatarinnen nicht die gleichen Bildungschancen vorgefunden hatten wie ihre männlichen Kollegen:

"Bei den Sozialdemokratinnen, die ja immer die meisten weiblichen Abgeordneten haben in der Ersten Republik, waren etliche wirklich Arbeiterinnen, Hilfsarbeiterinnen, die drei bzw. vier Jahre Volksschule hinter sich hatten", sagt Hauch. "Und Anna Boschek - also die Gewerkschafterin in der damaligen Zeit - hat sehr berührende Erinnerungen hinterlassen und hat geschildert, wie es ihr gegangen ist im Sozialausschuss, in dem sie Hauptmitglied war während der gesamten Ersten Republik, als sie sich nächtelang durch die juristischen Texte als Vorbereitung für der Ausschusssitzung kämpfen musste und sich teilweise hinten und vorne überhaupt nicht ausgekannt hat."

Sozialdemokratinnen vs. konservative Frauen

Ein intensives Selbststudium sowie ein Netzwerk jüngerer, gut ausgebildeter Frauen halfen Anna Boschek, sich dennoch in den Ausschusssitzungen durchzusetzen. Nicht von ungefähr kämpften die Frauen aller drei Parlamentsparteien in den ersten beiden Gesetzesperioden um die Reform der Mädchenschulen und bildeten dabei erfolgreiche Allianzen.

In anderen Politikfeldern waren die Gräben unüberwindbar: Beim Versuch, an der Position des Mannes als Oberhaupt der Familie zu rütteln, konnten die Sozialdemokratinnen ebenso wenig konservative Mitstreiterinnen finden wie bei ihren Vorstößen, Schwangerschaftsabbrüche im Rahmen einer Fristenlösung straffrei zu stellen oder die Sexualerziehung zu fördern.

"Wir haben also diese ambivalente Geschichte bei diesen sogenannten konservativen Frauen, dass sie auf der einen Seite wirklich auch den Typus der modernen Frau verkörpert haben", so Hauch. "Im Buch wird z. B. Berta Pichl, eine christlich-soziale Bundesrätin, näher beleuchtet, die Schuldirektorin war in den 1920er Jahren, also in einer leitendenden Funktion tätig war und gleichzeitig trotzdem das konservative Frauenbild aufrecht erhalten hat."

Die Hochs und Tiefs

Es sind vor allem diese Ambivalenzen in den Biografien der ersten Berufspolitikerinnen, die Gabriella Hauch besonders interessieren. Der ständige Spagat zwischen dem Kampf um Gleichberechtigung und der Komplizinnenschaft mit den Strukturen der männlichen Genossen ist eines der Hauptthemen, das sich durch die elf Texte ihres Buches zieht. Ein weiterer Fokus liegt auf den Brüchen und den Kontinuitäten in den Rahmenbedingungen, die die Aktivistinnen bei ihrem Engagement vorfanden.

Nicht alle Fragen, die Gabriella Hauch in ihrem Buch stellt, sind neu, und auch nicht alle Befunde, zu denen sie dort kommt. Über manche Perioden aus der Zeit zwischen 1848 und 1938 hätte man auch gerne mehr erfahren - etwa über die Zeit des Austrofaschismus, die hier nur kurz angeschnitten wird. Dennoch bietet "Frauen bewegen Politik" einen eindrucksvollen, differenzierten Überblick über die Hochs und Tiefs von 90 Jahren politischem Frauenengagement in Österreich. Einen Überblick, der vor allem den enormen Frauenaufbruch der 1920er Jahre wieder stärker ins Bewusstsein rückt. Jenen Stand der Diskussion über Frauenrechte und Geschlechtergerechtigkeit, den es damals gab, sollte es, so Gabriella Hauch, erst in den 1970er Jahren wieder geben:

"Man lernt daraus, dass die Unterbrechung der demokratischen Entwicklung Österreichs durch den autoritären christlichen Ständestaat und die anschließende Herrschaft des Nationalsozialismus auch eine Unterbrechung im Prozess der Gleichstellung der Geschlechter bedeutete. Von daher finde ich es wichtig, jegliche Infragestellung des antifaschistischen Grundkonsenses der Zweiten Republik auch von Frauenseite her striktest zurückzuweisen und zu ächten."

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Gabriella Hauch, "Frauen bewegen Politik. Österreich 1848-1938", Studienverlag 2009

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