1989-2003

Jahres-Überblick

Seit 1987 zeichnet das Computerkunstfestival "Ars Electronica" in der Kategorie "Digital Musics" zeitgenössische digitale Klangproduktionen aus, die Klang und Medien kombinieren, Computer-Kompositionen, die von elektro-akustisch bis experimentell reichen, oder Klanginstallationen berücksichtigen. Ästhetik und Originalität, konzeptionelles Niveau, klangliche Innovation und schließlich die Form und Qualität der Präsentation sind die leitenden Kriterien der Jury.

Großer Rückblick

Im 25. Jahr ihres Bestehens geht die "Ars Electronica" gemeinsam mit Österreich 1 einen Schritt weiter in diesem Bestreben. Auf diesen Seiten finden Sie die Preisträger, Auszeichnungen und Anerkennungen der 18-jährigen Geschichte dieser Kategorie versammelt - soweit sie nachträglich zu rekonstruieren waren, bzw. sich die Rechtssituation klären ließ. Beim Surfen durch die einzelnen Jahrgänge können Sie sich einen akustischen Überblick über ein Genre verschaffen. Ergänzt werden die Beiträge jeweils durch Textinformationen aus dem Archiv der "Ars Electronica".

Das Ziel der Kategorie "Digital Musics" war und ist den Horizont über die Grenzen einzelner Genres und künstlerischer Strömungen hinaus erweitern. So erklärt sich auch, warum im ersten Jahr ihres Bestehens der Musik-Star Peter Gabriel von der Musikjury des Prix Ars Electronica 87 für sein musikalisches Schaffen und den kreativen Einsatz neuer Technologien symbolisch mit der Goldenen Nica für Musik ausgezeichnet wurde.

Neue Wege

In seinem Statement, das im wohl sortierten Archiv der "Ars Electronica" nachzulesen ist, schrieb Gabriel damals: "Der Technologie wird oft nachgesagt, sie übe eine enthumanisierende Wirkung aus. Nun, in meiner Karriere war das genau umgekehrt. Durch ihr enormes Angebot an verschiedenen Möglichkeiten verlangte sie viel mehr Entscheidungen und zwang mich so, neue Wege aufzuspüren, um Dinge zu schaffen. Und dies wiederum führte zur Entwicklung einer viel persönlicheren Sprache, eines eigenständigeren Stils.

Ich habe immer gerne mit dem Unbekannten gearbeitet. Jahrelang habe ich von einem Gerät geträumt, das es erlaubt, natürliche Klänge zu manipulieren … Mit der heutigen Technologie können so viele Parameter von Klang, Rhythmus, Harmonie, akustischem Environment und Aufführungsmechanismen vom Musiker selbst gesteuert werden, dass die einzige Beschränkung letztlich in der Vorstellungskraft liegt."

Aktuelle Preise
2004 wurde die Goldene Nica in der Kategorie "Digital Musics" dem Deutschen Thomas Köner für seine Arbeit "Banlieue du Vide" zugesprochen. Das Werk beschäftigt sich mit Überwachung und Leere. Thomas Köner sammelte während des Winters 2003 / 2004 etwa 3000 Bilder, die von Überwachungskameras gemacht und über das Internet frei verfügbar waren. Alle diese Bilder zeigen Schnee bedeckte leere Straßen bei Nacht. Dazu schnitt Köner einen Soundtrack aus grauem Lärm und Verkehrsgeräuschen, die die Erinnerung repräsentieren. Die einzigen bemerkbaren Bewegungen auf den Bildern, die von dieser monumentalen Geräuschkulisse umrahmt werden, sind die sich ändernden Strukturen des Schnees auf den Straßen.

Auszeichnungen und Anerkennungen
Die Auszeichnung ging an den britischen Beitrag "Skate" von Janek Schaefer und "audiOh! Room". "Skate" spielt mit den Möglichkeiten der LP, indem sie die kontinuierliche Bewegung der Plattennadel durch Kratzer irritiert und die Nadel ihren eigenen, zufälligen Weg über dieses gebrochene Terrain von physischen und tonalen Umleitungen finden lässt. Unter den 12 weiteren Anerkennungen findet sich auch die neue Platte "Venice" des Österreichers Christian Fennesz, die im April dieses Jahres ausführlich im Ö1 Zeit-Ton vorgestellt wurde. Ö1 Rezensent Christian Scheib schrieb damals über die nun prämierte Arbeit, das die kompositorische Handschrift von Christian Fennesz in ihrer Feinheit charakteristisch und kalligrafisch ausgefeilt sei, wie kaum eine andere. Die Klänge der neuen CD lassen beim Hören eine Vorstellung von opakem, milchigen, semitransparenten Licht entstehen.

Digital Musics im Überblick
Aus technischen Gründen ist das Jahr 1987 nicht vorhanden und das Jahr 1988 nicht verfügbar.

1989
1989 wurde der “Prix Ars Electronica“ bereits zum dritten Mal veranstaltet. In der Kategorie "Digital Musics" werden in quantitativer und qualitativer Hinsicht mehr Projekte eingereicht. Die Goldene Nica wird von der Jury unter 224 eingereichten Werken einhellig der finnischen Komponistin Kaija Saariaho für ihre beiden Werke "Stilleben" und "Io" zuerkannt. Zwei Auszeichnungen gehen an den französischen Komponisten Francois Bayle für sein Tonbandstück "Theatre d`Ombres" und an den argentinischen Komponisten Alejandro Vinao für sein Stück für gemischten Chor und computergeneriertes Band "Son Entero".
Digital Musics 1989

1990
1990 wurden “Goldene Nicas“, “Auszeichnungen“ und “Anerkennungen“ auch in der Kategorie "Computermusik" eingeführt. In diesem Jahr kann die Jury nach Analyse der musikalischen und technischen Qualität der 202 eingereichten Arbeiten, keine Goldene Nica in dieser Kategorie vergeben. Es kann kein Werk gefunden werden, das im Bereich der Interaktion zwischen kompositioneller und technischer Handwerklichkeit hervorragend ist. Nur eine Auszeichnung an Karlheinz Stockhausens Stück "Kathinkas Gesang" wird vergeben.
Digital Musics 1990

Im Jahr 1991 wurde die Kategorie Computermusik nicht ausgeschrieben.

1992
Nach einem Jahr Pause wurde 1992 die Kategorie "Computermusik" wieder eingeführt. Die Jury hat mit 350 Werken besonders viele Arbeiten zu begutachten. Die Goldene Nica wird dem argentinischen Komponisten Alejandro Vinao zugesprochen. Seine Komposition "Chant d`Ailleurs" stellt eine einzigartige Verbindung von künstlerischer und technischer Brillanz dar. Auch zwei Auszeichnungen werden vergeben: Francis Dhomont wird für sein Stück "Chiaroscuro" ausgezeichnet. Eine Auszeichnung geht auch an den Österreicher Wolfgang Mitterer für seine improvisierte Arbeit " Reluctant Games".
Digital Musics 1992

1993
1993 wurden 235 Stücke von Komponisten aus 26 Ländern eingereicht. Bei vielen Werken kommen Humor und Satire zum Ausdruck. Einige sind von Rock- und Popmusik beeinflusst, und bei vielen werden gesampelte Naturgeräusche verwendet. Die Goldene Nica wird dem französischen Komponisten Bernard Parmegiani für sein Werk "Entre Temps" zuerkannt. Eine Auszeichnung geht an den mexikanischen Komponisten Javier Alvarez für sein Werk "Mannam". Die zweite Auszeichnung wird dem englischen Komponisten Jonty Harrison für seine Komposition "... et ainsi de siute ..." zuerkannt.
Digital Musics 1993

1994
1994 die steigerten sich die Einreichungen in der “Computermusik“ um 45 Prozent auf 341 Stücke. Ein Teil der Zunahme ist auf die stärkere Beteiligung von Frauen und ein verstärktes lokales Interesse zurückzuführen. Das lässt sich an der großen Anzahl von Einreichungen aus Österreich ablesen. Die Verwendung aufgezeichneter Naturklänge scheint in vielen Arbeiten akzeptiert und abgesichert zu sein. Die Goldene Nica wird dem deutschen Kornponisten Ludger Brümmer für seine Arbeit "The Gates of H." zuerkannt. Eine Auszeichnung erhält der schwedische Komponist Äke Parmerud für sein Werk "Strings & Shadows". Die zweite Auszeichnung geht an den Komponisten Jonathan Impett für "Mirror-Rite".
Digital Musics 1994

1995
In der Kategorie "Computermusik" wurden 1995 Werke prämiert, die mit Einsatz der verfügbaren technischen Ressourcen von Inspiration und Imagination gekennzeichnet sind. Die preisgekrönten Arbeiten illustrieren die vielfältigen Aspekte der Computermusik und sind in einen dynamischen und jeweils sehr persönlichen Kontext eingebettet. Die Goldene Nica geht an Trevor Wisharts "Tongues of Fire". Gilles Gobeils "Le Vertige Inconnu" und “Parcours de l`Entité" des brasilianischen Komponisten Flo Menezes werden ausgezeichnet.
Digital Musics 1995

1996
Die Computermusik blickt 1996 auf eine Geschichte von etwa dreieinhalb Jahrzehnten zurück. Eine Tendenz, die 1996 ausführlich diskutiert wird, ist das Aufkommen "untrainierter Musik". Damit ist Musik gemeint, für deren Komposition und Aufführung jene traditionellen Fähigkeiten, die durch formale Ausbildung erworben werden, keine Vorbedingung mehr sind. Einstimmig entscheidet sich die Musikjury, die Goldene Nica an Robert Normandeau für seine Komposition "Le Renard et la Rose" zu vergeben. Eine Auszeichnung geht an ein Radioprogramm mit dem Titel " Media Survival Kit". Die zweite Auszeichnung erhält Regis Renouard Lariviere für sein Werk "Futaie".
Digital Musics 1996

1997
1997 wurden über 250 Stücke eingereicht. Die Jury entscheidet sich für "Munich Samba" von Matt Heckert als Gewinner der Goldenen Nica. Die beiden Auszeichnungen gehen an Jonty Harrison für "Unsound Objects" und Maryanne Amacher für "The Levi-Montalcini Variations". Unter den diesjährigen Einreichungen sind auch einige, die versuchen, das musikalische Potential des World Wide Web zu erforschen. Doch die Jury kann kein so herausragendes Beispiel finden, das einen Preis oder eine Anerkennung verdient hätte.
Digital Musics 1997

1998
Bei der Computermusik gab es 1998 eine große Zahl von Einreichungen. Ungeachtet der Appelle der letzten Jahre sind die meisten von ihnen wieder "Werke für Tonband" von männlich-akademischer Herkunft. Die beiden Auszeichnungen für Aquiles Pantaleão und Hans Tutschku sind zwar nominell "Bandwerke", diese kommen aber aus deutlich unterschiedlichen Traditionen. Die Goldene Nica geht an Peter Bosch und Simone Simons für ihre Klanginstallation "Krachtgever" ("Kraftgeber").
Digital Musics 1998

Das Jahr 1999 ist aus technischen Gründen nicht verfügbar.

2000
Im Jahr 2000 wurden 288 Werke eingereicht. Die Vorverlegung des Einreich-Termins hat ihre Zahl reduziert. Vermutlich haben auch einige Komponisten angesichts der Rechtswendung in der österreichischen Politik bewusst auf Einreichungen verzichtet. Mit der Goldenen Nica wird "20’ to 2000" des Berliner Produzenten und Klangkünstlers Carsten Nicolai ausgezeichnet. Eine Auszeichnung geht an GESCOM, das englische Trio der Produzenten Rob Brown und Sean Booth und dem Designer/Künstler Russell Haswell, für "MiniDisc". Die zweite Auszeichnung erhält der Aufnahme-Ingenieur Chris Watson für seine CD "Outside the Circle of Fire".
Digital Musics 2000

2001
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts kommen 2001 die innovativsten und erstaunlichsten Arbeiten der Digital Musics von Musikern, deren Werdegang größtenteils außerhalb der akademischen Bildungsgänge und der üblichen Karrieren verlaufen ist. Stattdessen erzählt ihr Werk von einem intensiven autodidaktischen Engagement. Doch all diese Musiker und Klangkünstler aus unterschiedlichen Generationen haben einiges gemeinsam. So wenden viele moderne Laptop-Techniken an, die die langsamere methodische Kompositionsweise der Musique Concrète wieder entdecken.
Digital Musics 2001

2002
Die 2002 in der Digital-Musics-Kategorie eingereichten Werke zeigen, dass die Musiker ihre Werke mehr und mehr auf den unterschiedlichsten Plattformen vorstellen: von Installationsarbeiten zu Mixed-Media-Stücken, von Galerie-Präsentationen zu Videos, von Klangkunst-Ausstellungen zu Internet-Domains, ganz zu schweigen von den fast schon “traditionellen“ Präsentations-Räumen CD, Clubs, Rundfunk, Klanglabor und Konzertsaal. Diese vielfältigen Kontexte bieten den Musikern in Kombination mit der ständig wachsenden Zahl billiger Hard- und Software die Gelegenheit, ihr Werk ständig zu erneuern und auszuweiten.
Digital Musics 2002

2003
Der “Prix Ars Electronica“ 2003 stellte einen absoluten Rekord auf: 2714 Arbeiten werden von Künstlern aus 85 Ländern eingereicht. Inzwischen ist die digitale Technologie allgegenwärtig geworden. Selbst für einen akustischen Gitarristen erfolgen Aufnahme, Abmischung, Schnitt, Distribution, Promotion und Wiedergabe von Musik mit größter Wahrscheinlichkeit mit digitalen Mitteln. Ein gutes Beispiel dafür ist der Gewinner der Goldenen Nica 2003, eine Aufnahme von zwei Duos: die Vokalistin Ami Yoshida mit dem Synthesizer-Spieler Utah Kawasaki ("Astro Twin") und Yoshida mit Sachiko M ("Cosmos"), die die in einem digitalen Sampler installierten Sinewaves spielt.
Digital Musics 2003

Tipps
Die Verleihung der Goldenen Nicas, Auszeichnungen und Anerkennungen findet im Rahmen der "Ars Electronica" am 3. September 2004 in Linz statt.

Mehr zu Christian Fennesz in oe1.ORF.at

Link
Ars Electronica