Stefan Zweig als Strauss' Textdichter

Des Meisters letzter Dichter-Librettist

Es war eine glückliche Fügung, als der Dichter mit dem Komponisten zusammentraf: Aus der Zusammenarbeit Stefan Zweig - Richard Strauss entstand die Oper "Die Schweigsame Frau". Weitere geplante Projekte mussten aber an der Politik des NS-Regimes scheitern.

"Es war eine glückliche Fügung, dass Stefan Zweigs Verleger Anton Kippenberg den Kontakt mit Richard Strauss hergestellt hat, wodurch eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit entstand. Der Briefwechsel belegt, wie begeistert Strauss auf das Textbuch der 'Schweigsamen Frau' reagierte. So schrieb er z.B.: Ich bin glücklich, dass ich Sie als Librettisten nach dem Tod von Hofmannsthals gewonnen habe", beleuchtet Hildemar Holl, Leiter der "Internationalen Stefan Zweig Gesellschaft" in Salzburg die Beziehung des Komponisten zu dessen letztem Dichter-Librettisten.

Der erste Kontakt zwischen Strauss und Zweig kommt im Oktober 1931 zustande. Zweig schlägt dem von ihm bewunderten Komponisten, dem ein "Intrigenstück" vorschwebt, Ben Jonsons "The Silent Woman" als Libretto-Vorlage für eine neue Oper vor. Nach Beendigung "Marie Antoinette"-Biografie beginnt Zweig im Sommer 1932 mit der Arbeit am Libretto. Den ersten Akt schreibt er in Gardone, den zweiten in Arosa und der dritte, im Jänner 1933 beendet, entsteht im Salzburger Haus am Kapuzinerberg.

Zum Dank ein Vertrag à la Hofmannsthal

"Lieber Herr Zweig! Gelungen auch der III. Akt: ich danke und gratuliere!", schreibt Strauss am 24. Jänner 1933 nach Erhalt des Textes seines neuen Librettisten und gewährt Zweig als Dank einen "analog den Hofmannsthal-Verträgen ausgearbeiteten Vertrag".

Strauss, glücklich über die Zusammenarbeit, bespricht neue Opernpläne mit Zweig: "1648", den späteren "Friedenstag", und eine Vorlage nach Castis "Prima la musica, dopo le parole", nach dem später "Capriccio" entsteht. Es soll aber ganz anders kommen: Am 1. April 1933 verbietet das Nazi-Regime Juden jede kulturelle Betätigung in Deutschland.

Uraufführung der "Schweigsamen Frau"

Inzwischen rückt der Dresdner Uraufführungs-Termin der "Schweigsamen Frau" am 24. Juni 1935 immer näher. Hitler hatte sie im Herbst 1934 nur deshalb genehmigt, weil er sie dem Reichsmusikkammer-Präsidenten - Strauss übte diese Funktion seit November 1933 aus - schlecht abschlagen konnte.

Als Strauss auf nachdrückliches Verlangen der Uraufführungs-Theaterzettel gezeigt wird, fehlt darauf der Name von Stefan Zweig. Erst nach energischer Forderung des Komponisten wird Zweig schließlich genannt. Die neue Oper, deren Uraufführung zwar ein Erfolg ist, wird allerdings nach der zweiten Vorstellung abgesetzt.

Ein Vorspiel mit Nachspiel

Etwa eine Woche davor hatte Strauss einen seiner "unheimlich freimütigen" Briefe an Zweig, der seit 1934 in England lebte und aufgrund der politischen Lage nicht mehr für Strauss arbeiten wollte, gesandt. Darin schrieb der Komponist, der Zweig als Librettisten unbedingt halten wollte und um Ausarbeitungen weiterer Opernstoffe bat, unter anderem:

"(..) Glauben Sie, dass ich jemals aus dem Gedanken, dass ich Germane (..) bin, bei irgend einer Handlung mich habe leiten lassen? Glauben Sie, dass Mozart bewusst 'arisch' komponiert hat? ... für mich existiert das Volk erst in dem Moment, .wo es Publikum wird. Ob dasselbe aus Chinesen, Oberbayern, Neuseeländern oder Berlinern besteht, ist mir ganz gleichgültig, wenn die Leute nur den vollen Kassenpreis gezahlt haben (..)."

Das Ende der Zusammenarbeit

Diesen Brief wird Zweig allerdings nie erhalten, denn die Gestapo fängt ihn ab. Im Juli 1935 erscheint ein Beamter in der Garmischer Villa von Strauss mit einer Fotokopie des Schreibens. Strauss wird nahe gelegt, das Amt des Reichsmusikkammer-Präsidenten aus "Gesundheitsrücksichten" niederzulegen, was er sofort tut.

Als Zweig es endgültig ablehnt, für Strauss zu arbeiten, wird schließlich Joseph Gregor (1888-1960), Literatur- und Theaterwissenschaftler sowie Begründer der Theatersammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, den der Komponist anfänglich ablehnt, zu Strauss' letztem Textdichter.

Warum Zweig Salzburg verlässt

"Es ist ein Bündel von Problemen, warum Stefan Zweig Salzburg 1934 verlässt und bis 1937 nur noch vereinzelt zurückkehrt, ehe das Haus 1937 verkauft wird. Natürlich hatte es mit der Hausdurchsuchung nach Waffen in seiner Villa, mit dem Ständestaat, aber auch mit seiner damaligen Ehe-Krise zu tun", erklärte erklärt Hildemar Holl.

"Zweig hat zwar sein exklusives Refugium geschätzt, wo er sich durch die Entfernung zu Wien aus den Polit-Streitereien heraushalten konnte. Er liebte Salzburg seiner Architektur, seiner Lebensqualität wegen. Aber er hatte keine Illusionen über den damals herrschenden Geist. Er wusste, dass es eine Stadt mit stark katholischem, deutschnationalem und antisemitischem Einschlag war", so Holl.

"Internationale Zweig Gesellschaft"

"Das offizielle Salzburg hat erkannt, wie berühmt der Name Stefan Zweig ist und man will das Andenken an ihn pflegen und auch international fördern. Unser Ziel ist es, für das Werk, für die Ideen Zweigs, wie für seine grandiose Vorstellung eines friedlichen, vor allem kulturell und nicht nur wirtschaftlich fundierten Europa zu arbeiten", erklärt Hildemar Holl.

Bereits vor der Neugründung der "Zweig-Gesellschaft" 1998 gab es bereits sechs Jahre davor anlässlich des 50. Todestages des Dichters eine Schau mit einem Symposium in Schloss Leopoldskron. Daran schloss sich eine eigens konzipierte permanente Wander-Ausstellung an, die bisher international über 100.000 Besucher sahen und die nun nach Brasilien kommt. Derzeit arbeitet Holl, der mehrfach über Zweig publiziert hat, an einem "Jahrbuch".