von Bernhard Kathan
Das Wirtshaus zur Hand des Gehenkten
Das Grimm'sche Märchen "Die drei Feldscherer" bildet den Ausgangspunkt für Bernhard Kathans genreübergreifende Beschäftigung mit Fragen der Transplantationsmedizin. Es geht um das Eigene und das Fremde, um Einverleibung, Aneignung und um Ökonomie.
8. April 2017, 21:58
... Zufälle, Einfälle, Fügungen ...
Drei Feldscherer sind im Besitz einer Salbe, die jede Wunde zu heilen vermag. Um den Wirt, bei dem sie übernachten, von der Wirkung der Salbe zu überzeugen, schneidet sich der erste eine Hand ab, reißt sich der zweite das Herz aus dem Leib, der dritte schließlich sticht sich die Augen aus. Eine Reihe von Zufällen will es, dass sich der erste die Hand eines Gehenkten, der zweite ein Schweineherz und der dritte die Augen einer Katze einheilt.
Die Salbe wirkt, doch die Feldscherer sind andere geworden. Ausgehend vom Grimm'schen Märchen "Die drei Feldscherer" beschäftigt sich das Hörspiel mit Fragen der Transplantationsmedizin. Es geht um das Eigene und das Fremde, um Einverleibung und Aneignung, um Ökonomie - sei es nun die des Geldes oder jene von Organen. Entsprechend den Vorgaben der Transplantationsmedizin wird Material der Literaturgeschichte zerlegt und zergliedert, um dann wieder neu zusammengenäht zu werden.
Seit Jahren beschäftigt sich der Innsbrucker Künstler und Sozialwissenschafter Bernhard Kathan interdisziplinär und genreübergreifend mit Themen der Medizin, der Ernährung und mit der Geschichte des menschlichen Körpers. Sein aktuelles Hörspiel entstand in Kooperation mit Komponistin Manuela Kerer, die die Erzählung gleichsam musikalisch übersetzt und in ein formstrenges ästhetisches Konzept zwingt.
Zum Autor
Bernhard Kathan, geboren 1953 in Fraxern (Vorarlberg), hat Erziehungswissenschaft studiert. Der Kulturhistoriker, Schriftsteller und Künstler lebt in Innsbruck. Zahlreiche Kunstprojekte im öffentlichen Raum, Sprech- und Hörstücke. Kathan entwickelt ein experimentelles Museum. Veröffentlichungen besonders zur Medizin, Ernährung und dem menschlichen Körper. Zuletzt sind von Kathan "Strick, Badeanzug, Beatmungsset. Nachruf auf die kleinbäuerliche Kultur" (2006) und "Das indiskrete Organ" erschienen.
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Hör-Tipps
Hörspiel-Studio, jeden Dienstag, 21:01 Uhr
Die Hörspiel-Galerie, jeden Samstag, 14:00 Uhr
Buch-Tipp
Bernhard Kathan, "Das indiskrete Organ. Organverpflanzungen in literarischen Bearbeitungen", Studienverlag 2007
Link
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