Im Klartext: Tatort Kirche

Welche sind die Ursachen für den systematischen Missbrauch? Klaus Küng (Diözesanbischof St. Pölten), Adelheid Kastner (Gerichtspsychiaterin), Arnold Mettnitzer (Ex-Priester) & Udo Jesionek (Präsident Weißer Ring) bei Klaus Webhofer.

Was Ende Jänner mit dem Aufdecken von zahlreichen Missbrauchsfällen im katholischen Elitegymnasium Canisius-Kolleg in Berlin/Deutschland begann, breitete sich wie ein Lauffeuer aus und erreichte nach kurzer Zeit auch Österreich. Die ersten Missbrauchsopfer meldeten sich zu Wort und das große Aufdecken sollte kein Ende nehmen. Die Anschuldigungen der Opfer, die fast ausschließlich in katholischen Internaten untergebracht waren, sind vielfältig. Es geht um körperliche Gewalt und Züchtigung als Erziehungsmittel oder auch um eindeutige sexuelle Annäherungen im Internatsalltag. Auch Ministranten meldeten sich zu Wort. In Deutschland spricht man mittlerweile von 250 Verdachtsfällen und auch in der heimischen Medienlandschaft vergeht kein Tag ohne Meldung über neue schockierende Missbrauchsfälle.

Auf eine Stellungnahme des Papstes zu den Anschuldigungen, wartete die Öffentlichkeit lange Zeit vergeblich, bis er am vergangenen Samstag sein Schweigen mit einem Hirtenbrief beendete. Während hohe Kirchenvertreter von einer ehrlichen Entschuldigung sprechen, die auch auf Deutschland und Österreich zu beziehen ist, kritisieren die Opfer das Ignorieren der heimischen Missbrauchsfälle und das Verwenden leerer Plattitüden, anstatt ernsthafter Reue und Selbstkritik.

Die Konsequenzen, die viele Gläubige aus den jüngsten Vorfällen ziehen, liegen auf der Hand. Schon im Jahr 1995, nachdem die Missbrauchsfälle rund um Kardinal Groer bekannt wurden, kämpfte die Katholische Kirche mit tausenden Kirchenaustritten und hatte viel zu tun, um ihr Image wieder aufzubessern. Auch wenn es die Kirche geschafft hat, sich in den vergangenen 15 Jahren ein wenig zu erholen, könnte man diese Erholungsphase jetzt als Ruhe vor dem Sturm bezeichnen. Die Zahl der Kirchenaustritte in Österreich nimmt stetig zu, man befürchtet ein Rekordjahr bei den Austritten. Eine Katastrophe für die heimische Kirchenlandschaft.

Das letzte Wort zu diesem brisanten Thema wird noch lange nicht gesprochen sein. Zu viele Fragen sind noch offen, zu viele Ursachen gibt es noch zu erforschen. Da bleibt zum Beispiel die Frage, auf welchem Nährboden diese Vorfälle gedeihen. Ist sexueller Missbrauch und Gewalt ein Mittel um Autorität auszuüben oder ein Ausdruck kirchlicher Hierarchie? Gilt es jetzt den, von vielen ungeliebten und als überholt angesehenen, Zölibat abzuschaffen, oder hat die, von oberster Stelle vorgeschriebene sexuelle Enthaltsamkeit, das strikte Eheverbot für Priester, nichts mit den pädophilen Neigungen mancher Kirchenvertreter zu tun?

Es ist unumstritten, dass sich zurzeit hauptsächlich die Kirche mit diesen Themen auseinandersetzen muss, es gilt aber auch daran zu erinnern, dass sexueller Missbrauch und Gewalt vorrangig gesellschaftliche Probleme sind, für die der Staat sich letzten Endes verantwortlich zeigen muss. Lösungen zur Prävention, ein Aufhellen der Dunkelziffer von sexuellem Missbrauch in der Familie und Ursachenforschung, sind nur einige Punkte, um die man sich dringendst kümmern sollte.

Die Katholische Kirche wird sich überlegen müssen, wie sie wieder mehr Transparenz in ihren Reihen schafft und wie sie Strukturen so verändert, dass das Kirchenvolk wieder Vertrauen fasst und nicht in Scharen davonläuft.

Text: Barbara Tschandl

Eine Veranstaltung unterstützt von Hochriegl.

Im Klartext: Tatort Kirche - Gewalt mit System?
Mittwoch, 24. März 2010
18:15 Uhr
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