Buchbinder spielt Beethoven

Buchbinder spielt Beethoven

Das Wiener Konzerthaus war am 19. Juni 2003 Schauplatz eines besonderen Konzertereignisses der Wiener Festwochen: Rudolf Buchbinder führte mit den Wiener Symphonikern an einem Tag alle fünf Beethoven-Klavierkonzerte auf. Ö1 hat davon eine CD produziert.

Der österreichische Pianist Rudolf Buchbinder warnt vor Sensationsgier im Kulturbetrieb. "Die Gefahr liegt darin, dass Kultur weg vom Feuilleton immer mehr in die Klatschspalten gerät", sagte er in einem Interview. Trotz Kritik sieht Buchbinder keinen Anlass zu Kulturpessimismus. "Der Konzertbetrieb ist nicht zu Ende. Ihn gibt es in dieser Form schon seit 200 Jahren. Warum sollten wir uns nun einreden, dass er schlecht ist?" Die Schallplattenindustrie leide derzeit zwar, Konzerte seien aber gut besucht. "Die Leute lechzen nach dem Live-Erlebnis, heute mehr als noch vor zehn oder 20 Jahren."

Er habe auch nichts dagegen, wenn Kollegen in Stadien auftreten oder Mozart zur Vorlage für Popmusik wird. "Ich finde das großartig. Auch so bringt man Leute zur Klassik." Bach, Beethoven und Mozart könnten das vertragen. Zu deren Zeiten sei man wesentlich großzügiger gewesen, da hätten die Komponisten auch ungeniert voneinander gestohlen.

"Eine Sensation kann niemand wiederholen"

"Viele Komponisten haben ein falsches Image. Wenn man Beethoven als Titan bezeichnet, ist das absolut falsch. Er war einer der sensibelsten Menschen, das erkennt man auch an seinen Briefen und am 'Heiligenstädter Testament'", erinnerte Buchbinder an ein bewegendes Dokument Beethovens von 1802. Beethoven hatte darin seiner Verzweiflung über seine zunehmende Gehörlosigkeit Ausdruck verliehen.

Für ihn selbst werde das Klavierspielen im Alter immer leichter, sagt Buchbinder. "Meine Karriere war ein kontinuierliches kleines Crescendo. Mein Glück ist, dass ich nie eine Sensation war. Denn eine Sensation kann niemand wiederholen." Buchbinder saß schon im Alter von dreieinhalb Jahren am Klavier, mit fünf wurde er der bisher jüngste Student der Wiener Musikhochschule.

24 Stunden Arbeit täglich

Buchbinder sieht kein Problem darin, alle fünf Beethoven-Konzerte nacheinander auswendig zu spielen. "Das Hirn ist unbegrenzt belastbar. Allerdings stecken da täglich 24 Stunden Arbeit drin - mit dem Kopf, nicht mit der Hand."

Das Wiener Konzerthaus war daher am 19. Juni 2003 Schauplatz eines besonderen Konzertereignisses der Wiener Festwochen: Rudolf Buchbinder führte mit den Wiener Symphonikern an einem Tag alle fünf Beethoven-Klavierkonzerte auf. Der Großteil des Publikums ging sowohl in das Vormittags- als auch in das Nachmittagskonzert und stand so einen Tag lang im Banne dieses Erlebnisses.

Lieber live als im Studio

Die Besonderheit des Ereignisses versetzte sowohl das Publikum als auch die Musiker in einen besonderen Spannungszustand, der sich auf die Interpretation niederschlug. Buchbinder leitete vom Klavier aus die Wiener Symphoniker, die sich mit hoher Konzentration und großer Musizierfreude auf dieses Abenteuer einließen.

Da Rudolf Buchbinder als Grundlage für seine Tonträger - mehr als 100 Platten beziehungsweise CDs dokumentieren Größe und Vielfalt seines Repertoires - Live-Mitschnitten von Konzerten gegenüber Studioaufnahmen den Vorzug gibt, wurde aus dem Mitschnitt der Veranstaltung eine CD-Produktion von Ö1.

Service

Rudolf Buchbinder, "Ludwig van Beethoven. Die 5 Klavierkonzerte", erhältlich im ORF-Shop,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen zehn Prozent Ermäßigung.

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