Der Übergang zum post-fossilen Zeitalter

Wir leben die Zukunft

Weltweit findet man ökologische Siedlungen, die sich zum Ziel gesetzt haben, einen Lebensstil zu praktizieren, bei dem nicht mehr Ressourcen verbraucht werden, als jedem einzelnen Erdbewohner rechnerisch zustehen und die ein freudvolles Zusammenleben in einem sozialen System ermöglichen.

Keines dieser Projekte beansprucht, ein allgemeingültiges Lösungsmodell zu bieten. Sie verstehen sich als Versuchslabore, in welchen modellhaft alternative Lebensweisen erprobt und erforscht werden. Besucher/innen dieser Einrichtungen erhalten die Möglichkeit, auszuprobieren, wie nachhaltiger Lebensstil im Alltag aussieht.

"Findhorn Foundation"

Die "Findhorn Foundation" in Schottland ist eines der ältesten dieser Projekte. Begonnen hat diese spirituelle Gemeinschaft 1962 mit einem Rausschmiss. Nachdem das Ehepaar Eileen und Peter Caddy sowie deren Freundin Dorothy McLean ihre Jobs als Hotelmanager verloren hatten, stellten sie ihren Wohnwagen an der Findhorn-Bucht auf und begannen dort, mit den drei Söhnen des Ehepaars zu leben und einen Garten biologisch zu bewirtschaften. Schnell verbreitete sich die Nachricht, dass das Gemüse dort ungewöhnlich groß wird. Das wurde damit erklärt, dass Dorothy mit Pflanzen in Kontakt treten könne. Die Pflanzen würden ihr mitteilen, was sie für ihr optimales Wachstum benötigten.

Im Laufe der 1970er Jahre zog es Hippies aus der ganzen Welt nach Findhorn und nach und nach entstand eine spirituelle Gemeinschaft. Im Zentrum steht bis heute die Auffassung, dass es produktiver sei, mit der Natur zu wirtschaften als gegen sie und dass eine friedvolle Zusammenarbeit mit seinen Mitmenschen möglich ist.

Heute leben in der "Findhorn Foundation" rund hundert Menschen und in dem Ökodorf, das sich um die Gemeinschaft gebildet hat, etwa weitere 300. Jedes Jahr besuchen mehrere Tausend Personen aus aller Welt die Seminare in Findhorn, um die Gemeinschaft zu erleben oder um zu lernen, wie man Ökodörfer plant.

Siebenlinden

Eines der derzeit lebendigsten Ökodörfer ist Siebenlinden in Sachsen-Anhalt. Auf dem 80 Hektar großen Gelände leben rund 120 Menschen, davon ein Drittel Kinder. Als Besucher muss man zuerst einmal lernen. Zum Beispiel, wie man die Komposttoiletten benützt, dass man möglichst nur die bereitgestellten, zu 100 Prozent biologisch abbaubaren, Shampoos und Zahnpasten verwenden soll, damit die Pflanzenkläranlage optimal funktioniert und dass man nach dem Essen sein Geschirr von Hand grob abspülen muss, bevor man es in den Geschirrspüler stellt.

Schnell lernt man auch die Vorteile eines Ökodorfs kennen. Zum Beispiel, dass man sich nicht ums Einkaufen und Kochen kümmern muss und dass immer große Thermoskannen mit Tee und Kaffee bereitstehen. Den ganzen Tag über kommen die Bewohner/innen und Gäste in den Speisesaal, gönnen sich ein Tässchen, plaudern, lesen Zeitungen und widmen sich dann wieder ihren Aufgaben.

Die Bewohner/innen versuchen, möglichst im Ökodorf selbst ihre wirtschaftliche Basis zu finden. Sie arbeiten im Seminarbetrieb, in der Küche, im Waldkindergarten oder im gemeinsamen Einkauf. Manche haben ihr eigenes Unternehmen gegründet, zum Beispiel eine Tischlerwerkstatt, sie arbeiten selbstständig in Beratungs- oder Heilberufen oder haben in der Nähe eine Stelle, wie zum Beispiel zwei Ärzte. Silke Hagmeier hat eine Fuhrhalterei. Mit ihren drei Haflingern zieht sie Baumstämme aus den Wäldern. "Ein Pferd spart im Laufe seines Lebens 50.000 Liter Diesel", rechnet sie vor.

Lebensmittel müssen die Bewohner/innen nie einkaufen. Sie gehen einfach in die riesige Speisekammer, wo - vor Mäusen gesichert - zahlreiche Sorten biologisches Gemüse bereitliegen, hauptsächlich aus eigenem Anbau. Außerdem findet sich dort alles, was man sonst noch für eine abwechslungsreiche vegetarische Ernährung braucht. Nur Fleisch, Süßigkeiten oder Alkohol muss man selbst einkaufen. Für die Lebensmittel bezahlt man 200 Euro im Monat und kann nehmen, so viel man braucht. Kinder werden von der Gemeinschaft gemeinsam finanziert.

Ressourcenverbrauch deutlich niedriger

Eine Studie der Universität Kassel zeigt, dass die Menschen in Siebenlinden mit deutlich weniger Ressourcen auskommen als durchschnittliche Deutsche und damit dem Anspruch, nachhaltig zu leben, weitgehend gerecht werden.

Generell sind die Bereiche Bauen/Wohnen, Ernährung und Mobilität in der Regel für 80 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. In Siebenlinden liegt man beim Wohnen und bei der Ernährung bereits heute auf global verträglichem Niveau. Obwohl niemand mehr Flugreisen macht, ist der Ressourcenverbrauch im Bereich Mobilität immer noch zu hoch.

Ein Leben auf Basis erneuerbarer Rohstoffe

Einen viel umfassenderen Ansatz verfolgen die "Transition Towns" oder "Transition Initiatives". Angesichts der Erkenntnis, dass die Menschheit alle Anstrengungen unternehmen sollte, um den Klimawandel zu begrenzen und angesichts der Tatsache, dass das Zeitalter des Öls als billiger Rohstoff zu Ende geht, versuchen diese Initiativen, ihre Gemeinden oder Stadtviertel "resilient", d. h. krisenfest, zu machen.

Da unsere gesamte Lebensweise auf billigem Öl basiert, ist eine gewaltige Umstellung aller Lebensbereiche nötig, wenn dieser Rohstoff nicht mehr billig zur Verfügung steht - viele sehen hierin die größte Herausforderungen, der sich die Menschheit je gegenübersah.

Hunderte von "Graswurzelinitiativen" versuchen, die lokale Lebensmittel- und Rohstoffversorgung wieder zu beleben und einen Plan zu entwerfen, wie man schrittweise den Übergang (Transition) zu einem Leben auf Basis erneuerbarer Rohstoffe gestalten könnte.

Der große Erfolg dieser Initiativen basiert darauf, dass sie kein Schreckensszenario zeichnen, sondern Visionen von einem Leben im post-fossilen Zeitalter entwickeln, das reicher und sinnerfüllter sein könnte als unser jetziges.

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