Brasiliens evangelikale Pfingstkirchen

Wunderheilungen und Exorzismen

Die katholische Kirche Brasiliens hat Konkurrenz bekommen: Evangelikale Pfingstkirchen versprechen ihren Gläubigen Reichtum, Gesundheit und Seelenheil - für eine entsprechende Spende. Die Anhängerschaft steigt. Und auch das Vermögen dieser Kirchen.

20 Reais gegen Krankheiten

"Ich prophezeie euch allen: Ihr werdet geheilt werden!", ruft der Prediger im weißen Gewand ekstatisch ins Mikrophon. Vor dem Altar drängeln sich die Gläubigen. Manche haben Fotos ihrer kranken Angehörigen mit, manche weinen, andere zucken, wie in Trance. Auf Kommando rufen sie "Amen" oder "Hallelujah" oder begeben sich in stille Meditation. Assistentinnen in blauen Business-Kostümen gehen durch die Reihen und legen Betenden die Hand auf die Stirn.

In der evangelikalen Kirche Igreja Universal de Reino de Deus (Universalkirche des Königreich Gottes) in Goiania, der Hauptstadt des Bundesstaates Goias im Landesinneren Brasiliens, findet heute eine Heilungsmesse statt. Für eine Spende von nur 20 Reais (etwa zehn Euro) wird Gott alle Krankheiten besiegen - sei es Krebs, AIDS oder eine Unterleibszyste - verspricht der Prediger.

Tempel in den Armenvierteln

Die katholische Kirche in Brasilien hat harte Konkurrenz bekommen. Waren vor 50 Jahren noch mehr als 90 Prozent der Brasilianer und Brasilianerinnen katholisch, so sind es heute nur noch etwa 70 Prozent. Dafür sprießen evangelikale Heilskirchen aus dem Boden, wie die Pilze.

An jeder dritten Ecke sieht man einen kleinen Tempel der Igreja Universal, der Assembleia de Deus (Versammlung Gottes) oder der Igreja Mundial do Poder de Deus (Weltkirche der Macht Gottes). Je ärmlicher die Wohngegend, desto mehr evangelikale Tempel.

Scharlatanerie und Geldwäsche

Als einflussreichste dieser Kirchen gilt die Igreja Universal. Sie wurde 1977 vom Theologen Edir Macedo in Rio de Janeiro gegründet und soll mittlerweile weltweit an die 15 Millionen Mitglieder haben. Macedo wurde bereits in den 1990ern wegen Scharlatanerie und Betrug angeklagt. Seit August 2009 läuft ein Verfahren gegen ihn und neun weitere Mitglieder der Führungsebene wegen Veruntreuung, Geldwäsche und Steuerhinterziehung.

Es geht hier um Spendengelder in der Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Pastoren sollen starken Druck auf Gläubige ausgeübt haben, damit sie Spenden an die Kirche machen. Große Geldmengen seien geflossen, aber auch Immobilien. Die Igreja Universal besitzt einen eigenen TV-Sender, mehrere Radiostationen sowie Tourismusunternehmen. Ihr Haupttempel in Rio de Janeiro umfasst eine Fläche von 45.000 Quadratmetern und bietet Platz für 15.000 Gläubige.

Seelenheil und Wohlstand

Anders als die katholische Kirche verheißen die Evangelikalen den Gläubigen das Glück nicht erst im Jenseits, sondern bereits im Diesseits: Wohlstand, Gesundheit und Erlösung verspricht etwa die Igreja Mundial in ihrer Fernsehwerbung. Für eine Spende an die Kirche, versteht sich.

Die Pfingstkirchen in Brasilien lassen die katholische Kirche vergleichsweise liberal erscheinen: Schuld an allem Übel in der Welt seien die Miniröcke und die Jeans, die die Frauen tragen, verkündet ein evangelikaler Fernsehprediger. Vom Bikini ganz zu schweigen. Gott hat die Frauen erschaffen, um feminin zu sein. Doch was tun die? Sie benehmen sich wie Männer, kleiden sich wie Männer und - man stelle sich vor - sie übernehmen sogar die Jobs von Männern.

Göttliche Politik?

Evangelikale Abgeordnete beeinflussen auch die Politik. Vor allem in der republikanischen Partei Brasiliens, die derzeit in der Regierungskoalition von Präsident Lula sitzt. Evangelikale Abgeordnete verhindern immer wieder eine Liberalisierung des Abtreibungsverbotes sowie mehr Rechte für Homosexuelle. Aber auch in anderen Parteien sind sie vertreten: So gehört zum Beispiel die prominente Grünpolitikerin und ehemalige brasilianische Umweltministerin Marina Silva einer evangelikalen Gruppe an.

Der Prediger in Goiania stimmt ein Lied an, aus dem kirchlichen Soundsystem werden Gitarre, Bass und Schlagzeug zugespielt: evangelikale Popmusik. Die Gläubigen schwenken die Arme in der Luft und singen lauthals mit. Dann werden die Spendenkörbe aufgestellt.

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