Absagen im Stundentakt

Vulkanausbruch beeinträchtigt Kulturbetrieb

Der Vulkanausbruch in Island beeinträchtigt auch den österreichischen Kulturbetrieb. Die Wiener Philharmoniker können Konzertverpflichtungen im Ausland nicht wahrnehmen. Veranstaltungsabsagen kommen fast im Stundentakt.

Kulturjournal, 19.04.2010

Die durch den Vulkanausbruch in Island verursachte großräumige Sperre des europäischen Luftraums beeinträchtigt auch den österreichischen Kulturbetrieb. So musste die Kunsthalle Wien die für morgen, Dienstag, geplante Eröffnung ihrer "Detroit"-Ausstellung im project space um eine Woche verschieben, da es nicht alle Künstler und Kunstwerke rechtzeitig nach Wien schaffen können. Weitere Veranstaltungsabsagen gab es am Montag fast im Stundentakt.

Die Wiener Philharmoniker konnten am vergangenen Wochenende Konzertverpflichtungen in Luxemburg nicht wahrnehmen. Das Gustav Mahler Jugendorchester musste Konzerte in Paris und Amsterdam absagen und befindet sich derzeit auf einer Odyssee von Lissabon nach Wien, um plangemäß ihr morgiges Konzert im Musikverein spielen zu können.

Gravierende Situation

Im Musikverein muss das für heute Abend im Brahms-Saal geplante Hammerklavier-Konzert mit Malcolm Bilson auf den 25. Mai verschoben werden, beim morgigen Konzert des Küchl-Quartetts konnte für Solisten Tsuyoshi Tsutsumi rasch "innerphilharmonischer" Ersatz gefunden werden. "Wir sind im Moment glücklicher Weise in einer ruhigen Phase", meinte heute Vormittag Musikvereins-Intendant Thomas Angyan im Gespräch mit der APA, das nächste wirklich fragliche Konzert stehe mit dem "Tokyo String Quartet" erst am 26. April auf dem Programm.

Angyan selbst kam am Freitagnachmittag mit der allerletzten Maschine von Lissabon via Mailand nach Wien, während das Gustav Mahler Jugendorchester in Lissabon festsaß und erst gestern spätabends nach Dubrovnik fliegen konnte. Von dort ist man derzeit per Bus nach Wien unterwegs. Ob ein für Mittwoch in Stockholm geplantes Meeting der europäischen Konzertveranstalter stattfinden könne, sei derzeit mehr als fraglich, so Angyan, der sich an eine vergleichsweise gravierende Situation im europäischen Konzertbetrieb nicht erinnern kann.

Auf Bahn und Auto umgestiegen

Im Wiener Konzerthaus finden alle Konzerte wie geplant statt, da die anreisenden Künstler rechtzeitig auf Bahn und Auto umgestiegen sind. "Wir sind den Künstlern extrem dankbar, dass sie solche Mühen auf sich nehmen", so eine Konzerthaus-Sprecherin.

Beim Internationalen Filmfestival Crossing Europe, das am Dienstag in Linz starten soll, sind insgesamt rund 75 Personen betroffen, die mit dem Flugzeug nach Österreich reisen sollten. Bei ihnen werden so weit wie möglich Umbuchungen auf die Bahn versucht. Einige werden aber wohl nicht oder nur mit Verspätung kommen können. 95 Prozent der zur Vorführung vorgesehenen Filmkopien sind bereits in Linz. Bei den restlichen werde versucht, sie auf anderem Weg herbeizuschaffen, schilderte Festivaldirektorin Christine Dollhofer: "Die Botschaft ist: Das Festival findet statt, es ist fast alles da".

Haneke wird in Berlin erwartet

Auch die für Freitag in Berlin geplante Gala des Deutschen Filmpreises könnte beeinträchtigt werden. Ob und wie der österreichische Regisseur Michael Haneke, dessen Film "Das weiße Band" in 13 Kategorien nominiert wurde, überhaupt zur Veranstaltung reisen werde, stehe derzeit noch nicht fest, so Produzent Veit Heiduschka.

Absagen im Burgtheater

Im Burgtheater musste am Wochenende nicht nur eine Leseprobe von Grillparzers "Die Jüdin von Toledo", sondern auch die Diskussionsveranstaltung "Europa im Diskurs: Security versus Privacy" abgesagt werden, da weder Rolf Tophoven noch Otto Schilly anreisen konnten. "Alle anderen Vorstellungen konnten wir halten, weil rechtzeitig auf Zug und Auto umgestiegen wurde", hieß es aus dem Burgtheater.

Auch der Literaturbetrieb ist erheblich beeinträchtigt: Die Hauptbücherei Wien musste etwa eine Veranstaltung mit dem algerischen Schriftsteller Boualem Sansal, die für Montagabend geplant war, absagen. Auch der mexikanische Schriftsteller Juan Banuelos wird es sicher nicht bis zu seiner für Dienstag geplanten Lesung mit Friederike Mayröcker im Wiener Literaturhaus schaffen. Das Lateinamerikanisch-Österreichische Literaturforum sagte die Veranstaltung ab.

Die Kunsthalle Wien hofft dagegen, dass die Künstler John Corbin und Scott Hocking, die ihre Kunstwerke für die "Detroit"-Ausstellung selbst mitbringen wollten, es wenigstens in den nächsten Tagen nach Wien schaffen, und hat die Ausstellungseröffnung um eine Woche auf den 27. April verschoben.

Hauseigene Kräfte in Wiens Opernhäusern

An Staatsoper und Volksoper dagegen gibt es im Moment kaum Auswirkungen. Praktisch alle Partien der kommenden Vorstellungen werden mit hauseigenen Kräften bestritten. "Es sind derzeit keine schlechten Zeiten für ein Opernhaus, das auf den Aufbau eines eigenen Ensembles gesetzt hat", sagte Staatsopern-Direktor Ioan Holender. "Wir stehen damit besser da als die halbe Opernwelt." Die nächste Staatsopern-Vorstellung mit Gästen ist Jules Massenets "Werther" mit Ramon Vargas und Vesselina Kasarova am Samstag (24. April). Bis dahin kann jedoch der Wind wohl noch mehrfach drehen.

Auch das morgige Pressegespräch sowie die anschließende Podiumsdiskussion im Kunst Haus Wien zum Thema "Was darf Fotografie?" musste am Montagnachmittag verschoben werden. Der italienische Starfotograf Oliviero Toscani schaffe es aufgrund der weiträumigen Flugbehinderungen nicht verlässlich rechtzeitig von Mailand nach Wien, hieß es seitens der Veranstalter. Nach einem Ersatztermin werde noch gesucht.

Das RadioKulturhaus musste das für Dienstagabend angesetzte "Musikalische Freundschaftsspiel Helsinki-Wien" wegen der isländischen Aschewolke ebenso absagen wie das italienische Kulturinstitut das heutige dritte Konzert des Zyklus von Cristiana Pegoraro "32 Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven": Da einige Flüge am römischen Flughafen Fiumicino gestrichen wurden, konnte die Pianistin nicht nach Wien gelangen.

Text: APA, Audio: ORF