Stefan Webers Hörspiel "Die raffinierte Seele"

Wenn aus Fakten Fiction wird

Es kommt nicht alle Tage vor, dass aus einem Ausstellungsobjekt ein Hörspiel wird. Manchmal aber doch. Im Jahr 2006 wurde der Schweizer Autor, Regisseur und Klangkünstler Stefan Weber für eine Wissenschaftsausstellung in Wien eingeladen, ein Modul zum Thema "Peak-Oil" zu gestalten.

Spekulationen mit Prognosen

Der Begriff "Peak-Oil" bezeichnet die globale maximale Ölfördermenge. Oder anders gesagt: Irgendwann ist der Punkt erreicht, wo nicht mehr Öl gefördert werden kann als bisher. Was aber, wenn der weltweite Ölverbrauch - etwa durch die wachsende Motorisierung in China und Indien - nach Erreichen des Peak-Oil weiter steigt und mehr Erdöl verbraucht als gefördert wird? Dann, das wissen alle, haben wir ein Problem. Ein teures Problem.

Allerdings ist es nicht ganz einfach den Peak-Oil zu bestimmen. Die großen Firmen veröffentlichen unterschiedliche Prognosen und korrigieren diese bei Bedarf. Denn die Frage, wie lange das Öl noch reicht, beeinflusst massiv das Geschäft. Der Peak-Oil selbst wird damit zu einem Spekulationsobjekt. Man kann darauf wetten, kann damit spekulieren, kann Ängste schüren und diese wieder beruhigen.

Akustisches Medium und virtuelle Welt

Nach intensiven Recherchen kam Stefan Weber schließlich zu dem ernüchternden Schluss: Es gibt ihn eigentlich gar nicht, den Peak-Oil. Oder anders gesagt: Die Summe aller Fakten und Erkenntnisse ist eine Fiktion. Also entschloss er sich, für die Darstellung seiner Recherche- und Forschungsergebnisse das Genre Hörspiel zu wählen. Ein Genre, das die Wirklichkeit nicht abbildet, sondern durch Erfindung und Fiktion kenntlich macht und transzendiert. Virtuelle Welten, sagt Stefan Weber, können durch Bilder nur ungenügend dargestellt werden. Man muss sie sich vielmehr vorstellen. Und da das Hörspiel Bilder evoziert, sein Publikum im Idealfall also dazu zwingt, sich etwas vorzustellen, sei das akustische Medium zur Bearbeitung gerade dieses Themas besonders geeignet.

Tonjäger, Autor und Regisseur

Stefan Weber, geboren 1962 in Bern, ist ein untypischer Hörspielautor. Die Idee, zu Hause Manuskripte zu verfertigen, die dann im Studio von anderen inszeniert und umgesetzt werden, liegt ihm fern. Er baut seine Hörspiele lieber. Bastelt, komponiert, mixt und recherchiert. Früh schon wurde er von seinem Vater, selbst ein begeisterter Tonjäger, mit einem Tonbandgerät ausgestattet. Im Schauspielhaus Zürich erlernte er in jungen Jahren folgerichtig den Beruf des Toningenieurs, arbeitete mit verschiedenen Bands, produzierte Musik und begann auf der Basis seiner Theatererfahrungen selbst Regie zu führen.

Später entstanden Klangbilder, Klangskulpturen, Hörspiele und Features. Nicht ohne Leidenschaft fabriziert der heute in Wien lebende Schweizer durch die gekonnte und raffinierte Mischung verschiedener Zutaten auch andere Köstlichkeiten. Wenn er nicht gerade im Studio steht, steht Stefan Weber gern in der Küche. Früher hat er in Zürich sogar für reiche Leute gekocht. Ob die ihr Geld vielleicht auch mit Ölgeschäften und Finanztransaktionen gemacht haben? Keine Ahnung, sagt Stefan Weber. Aber wenn ja, dann hätte zumindest auch er, wenn auch nur indirekt, vom Geschäft mit dem Peak-Oil profitiert. Und von irgendwas muss der Mensch ja schließlich leben.