Verknüpft und verschoben
Mindestsicherung und Transparenzdatenbank
Lange haben die Regierungsparteien gestern und vorgestern über die Transparenzdatenbank verhandelt, in der künftig alle staatlichen Förderungen aufgelistet sein sollen. Eine Einigung scheiterte zuletzt am Zeitplan. Auch die Mindestsicherung und deren Umsetzung am 1. September hängt am seidenen Faden.
8. April 2017, 21:58
Der Sozialausschuss im Parlament, in dem die Transparenz-Datenbank heute beschlossen hätte werden sollen, ist auf nächste Woche verschoben worden. Die Situation ist deshalb heikel, weil die ÖVP nur bei einem Beschluss der Transparenzdatenbank der von der SPÖ geforderten Mindestsicherung zustimmen will. Ein Junktim nennt man sowas im Politjargon. Die Mindestsicherung von 744 Euro monatlich ist an sich längst ausverhandelt, ob sie planmäßig ab 1. September in Kraft treten kann, ist nun aber wieder ungewiss.
Morgenjournal, 10.06.2010
Klassische Junktimierung
Die ÖVP macht gar kein Hehl daraus. Stimmt die SPÖ nicht der von ihr gewünschten Transparenz-Datenbank zu, wird sie auch nicht der von der SPÖ geforderten und inhaltlich längst akkordierten Mindestsicherung im Parlament zustimmen, eine klassische Junktimierung nach dem Motto: Wie Du mir so ich Dir. Doch eine Einigung auf die Transparenzdatenbank steht auch nach tagelangen Verhandlungen aus, die Mindestsicherung und vor allem der Zeitplan geraten damit ordentlich ins Wanken.
Termin für Mindestsicherung wackelt
Mit der Mindestsicherung soll die Sozialhilfe in allen Bundesländern vereinheitlicht werden und für Menschen in Notlagen ein Grundeinkommen von netto 744 Euro monatlich 12-mal im Jahr geschaffen werden.
Mit 1. September sollte die Mindestsicherung planmäßig in Kraft treten. Doch damit das geht, ist nicht nur der Beschluss der Regierungsparteien im Parlament, sondern sind auch noch Beschlüsse in allen neun Landtagen erforderlich. Die meisten Landtage gehen allerdings ab Anfang Juli in die Sommerpause. Ziehen sich die Verhandlungen über die Transparenzdatenbank also noch weiter in die Länge, könnten sich die Beschlüsse in den Landtagen nicht mehr ausgehen. Die SPÖ will die Mindestsicherung unbedingt und trommelt nun, dass die Landtage nicht auf den Parlamentsbeschluss warten müssten, sondern schon vorher mittels sogenanntem Vorratsbeschluss die Mindestsicherung absegnen und damit den Zeitplan 1. September einhalten könnten, einige Landtage wie Oberösterreich erwägen, die Mindestsicherung später rückwirkend einzuführen.
Davon, dass die Mindestsicherung gar nicht kommen könnte, weil sich die Regierungsparteien nicht auf die Transparenz-Datenbank einigen, davon geht zumindest in inoffiziellen Gesprächen niemand aus, denn wirklich weit von einer Einigung sind die Regierungsparteien auch nicht entfernt.
Datenbank mit allen Sozialleistungen
Inhaltlich sind alle Hürden beseitigt. In der Datenbank werden künftig alle Sozialleistungen wie die Familienbeihilfe oder das Pflegegeld aufgelistet, aber auch zum Beispiel alle Förderungen für die Landwirtschaft, und zwar ohne Ausnahme. Und wie von der SPÖ gefordert, sollen auch Vorteile für Unternehmen aus der Gruppenbesteuerung oder aus Stiftungen in der Datenbank verzeichnet sein.
Gestritten wird nur noch über den Zeitplan. SPÖ-Chef Werner Faymann will nun die Transparenz-Datenbank erst in Kraft treten lassen, wenn alle Länder offiziell mitmachen, denn nur so könnten Doppelgleisigkeiten bei den Förderungen entdeckt werden. Die ÖVP sieht darin eine Verzögerungstaktik und wirft dem SPÖ-Chef vor, mit der Blockade der in der SPÖ oft als Neidkonto abgestempelten Datenbank für seine Wiederwahl auf dem Parteitag am kommenden Samstag punkten zu wollen.
Gut möglich, dass eine Einigung nach dem SPÖ-Parteitag leichter ist. Der für heute anberaumte Sozialausschuss im Parlament, in dem Datenbank und Mindestsicherung beschlossen hätten werden sollen, ist jedenfalls auf kommenden Montag verschoben.
Fallbeispiel: Leben mit ein paar hundert Euro
Knapp 500.000 Österreicherinnen und Österreicher sind laut Statistik von Armut betroffen - das heißt, sie müssen mit weniger als 951 Euro pro Monat auskommen. Viele Armutsbetroffene hoffen, dass sich durch die Einführung der Mindestsicherung ihre Situation bessert. Ein Beispiel: In einer Sozialberatungsstelle der Caritas lebt eine Frau, die durch Krankheit in die Armut gerutscht ist. Sie beschreibt, wie sie mit ein paar hundert Euro im Monat sich selbst und ihre beiden Kinder über Wasser hält.
Morgenjournal, 10.06.2010
Reportage von der Sozialberatungsstelle der Caritas, Barbara Gansfuß