Flüge, Nomaden und Souvenirs

Kunst im Transitraum

Im CAT-Terminal des Bahnhofs Wien-Mitte wurde im Juni 2010 erstmals eine Kunstausstellung eröffnet. "Mapping the Terminal" nennt sich die Schau, für die neun Studierende der Universität für Angewandte Kunst zwei Jahren lang die Transiträume des Flughafens Wien Schwechat erkundet haben.

"Modellhafte Mechanismen des Flughafens"

Nikolaus Gansterer über die Hypothese hinter der Ausstellung

Die Vermessung eines Ortes

Die Studierenden haben ihre Beobachtungen aus der Welt der Rollsteige, Wartehallen, Duty-free-Shops und Personenkontrollen anhand verschiedener Methoden des "Mappings", also Kartographierens, festgehalten und künstlerisch umgesetzt. Bis 1. Juli sind ihre Zeichnungen, Videoarbeiten, Drucke und Fotografien im Check-In Bereich und am Bahnsteig des City Airport Train (CAT) ausgestellt.

Angeleitet und begleitet wurde das Projekt "Mapping the Terminal" von Philippe Rekacewicz, Kartograph bei "Le Monde diplomatique", und Nikolaus Gansterer, Lektor am Institut für transmediale Kunst.

Aviopolis und sitzende Nomaden

Bis zu dreieinhalb Millionen Menschen seien, so Gansterer, täglich in Flugzeugen rund um den Planeten unterwegs. Das entspricht der Einwohnerzahl einer Großstadt wie Berlin: "Das ist es auch, was man Aviopolis nennt - eine Stadt, die fliegt. Die Idee hinter dem Projekt ist es, sich mit genau dieser Menschenmenge auseinanderzusetzen."

Mobile Menschenmassen bedeuten aber nicht unbedingt sich bewegende Körper. Der Kulturwissenschaftler Hajo Eickhoff hat in seinem Buch "Stürzen, Laufen, Sitzen" den Flugreisenden zum "homo sedens" erklärt - und den Sessel als eigentlichen Aufenthaltsort des modernen Nomaden erkannt.

Den Flughafen als Sinnbild der Sesshaftigkeit thematisiert auch Renate Mihatsch in ihrer Arbeit "Of ways to sit". Auf 50 Karteikarten dokumentiert sie jene Körpersprache, die aus der Verschmelzung des Individuums mit seiner Sitzgelegenheit - und seinem Reisegepäck - entsteht.

Geruchsandenken

Mit Reisezubehör beschäftigt sich auch die Arbeit "Smell Collector" von Nicole Weniger. Sie bewirbt ein fiktives Flugaccessoire, mit dem man den Duft des Zuhauses mit auf die Reise oder aber das Geruchssouvenir mit heim nehmen kann.

"Take a breeze of home along your journey" verspricht das Werbeplakat für diesen "Gerüche-Sammler". Nahtlos fügt es sich in die Reihe der City Lights am CAT-Bahnsteig ein, die den Passagier sanft auf das ihn am Flughafen erwartende Shopping Szenario einstimmt.

Guckloch in die Zukunft

Der Flughafen sei, so Nikolaus Gansterer, ein "kleines Guckloch in eine sehr nahe Zukunft". In den "hochtechnisierten Passagen" der Flughafengebäude werden im Kleinen jene Mechanismen erprobt, die vielleicht bald die ganze Gesellschaftsarchitektur bestimmen werden.

Klar abzulesen ist am Phänomen Aviopolis etwa, wie sich der öffentliche Raum mit immer größerer Selbstverständlichkeit zum kommerziellen - und kontrollierten - Raum entwickelt. Das sich am Flughafen entfaltende Feuerwerk an Angeboten ist - ebenso wie die Sicherheitskontrolle - ohne jede Einspruchsmöglichkeit zu durchqueren. Umso heftiger wird das Gefühl der "Freiheit" dafür auf Werbeflächen suggeriert.