An Kenner und Liebhaber

Gerhard Rühm

Mein Steckenpferd

der anreiz (...) gelegentlich chansons zu schreiben, geht nicht zuletzt auch auf kompositionsaufträge zurück, noch während meiner studienzeit an der wiener musikhochschule wurde ich eingeladen, musik zu bühnenstücken zu schreiben, die auch "song"-einlagen verlangten. die aufgabe machte mir so grossen spass, dass ich darüber hinaus eine reihe von texten, bevorzugt von autoren der klassischen moderne, vertonte, die mir für diese entspannende art zu komponieren geeignet erschienen. erst als um 1954 die literatur zunehmend in den vordergrund meiner künstlerischen arbeit rückte, lag es nahe, den chansons eigene texte zugrunde zu legen. (...)

vorrangig habe ich chansons zu meinem privatvergnügen verfasst und nur hin und wieder einem kleinen freundeskreis, später auch als "ausklang" poetischer veranstaltungen zu gehör gebracht. (...) anders als heute, wo alles erlaubt erscheint, wurden die texte in den fünfziger jahren allgemein als provokant empfunden. ihr makabrer ("schwarzer"), zuweilen absurder humor, ihre erotische direktheit irritierten, verletzten eklatant damals vorherrschende tabus. (...)

inzwischen hat eine inflationäre popmusikindustrie ebenso wie das überangebot banalster schlagershows auf fast allen fernsehkanälen ein größeres publikum auf andere weise für das literarische chanson unempfänglich gemacht. so wendet sich dieses (in frankreich noch immer blühende) genre nun vornehmlich an einen kreis von "kennern und liebhabern" (...).

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Literaturhaus - Gerhard Rühm
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