Theaterspielen fördert Kinder

Vorhang auf fürs Leben

Dass Musik und bildende Kunst Kinder in ihrer Entwicklung fördert und weiterbringt, das haben schon zahlreiche Studien ergeben. Dass auch das Theaterspielen wichtig, gesund und förderlich ist, hat man lange Zeit geahnt, doch Studien dazu fehlten bisher. Nun liegt so eine Studie vor.

Kulturjournal, 29.06.2010

Initiiert wurde die Studie von der Leiterin des Wiener Kindertheaters, Silvia Rotter. Sie hat vor zwei Jahren die Bildungsinitiative "Schule für das Leben" gegründet und gemeinsam mit dem Kinder- und Jugendpsychiater Max Friedrich, dem Hirnforscher Manfred Spitzer und der Psychotherapeutin Brigitte Sindelar die Auswirkung des Theaterspiels für Kinder an insgesamt 126 Kindern getestet.

Nun ist auch ein Buch erschienen, das die Ergebnisse der Studie zusammenfasst, aber vor allem ein Ratgeber für Eltern und Lehrer sein soll, wie man das Theaterspiel in den Alltag der Kinder integrieren kann. "Vorhang auf fürs Leben – Theaterpädagogische Spiele und Übungen" ist der Titel.

Hilfe, "ein Mensch zu werden"

Ein Vormittag an einer Wiener Volksschule. Im Turnsaal arbeiten zwei Theaterpädagogen mit Kindern einer ersten Volksschulklasse. Kreis- und Singspiele, Pantomime und Gedichte werden geübt. Es gefällt ihnen und tut gut und ist etwas anderes als Unterricht.

Dass den Kindern die Arbeit mit Theater gut tut, hat Silvia Rotter schon lange gewusst und bemerkt. Seit 16 Jahren leitet sie das von ihr gegründete Wiener Kindertheater, und bringt Fünf- bis 18-Jährigen die Welt des Theaters und der Sprache näher: "Es fördert soziale, emotionale, motorische und geistige Fähigkeiten", meint Rotter. "Es hilft ihnen, ein Mensch zu werden." Es hilft Ihnen, ein Mensch zu werden, sagt Silvia Rotter – und um das zu beweisen hat sie zuerst eine kleine interne Studie in ihrem Kindertheater durchgeführt. Von 20 Kindern stellten alle 20 nach der Probenarbeit Verbesserungen fest.

Drei Monate untersucht

Gemeinsam mit Professor Friedrich machte man daraus eine große Studie, an der fünf Wiener Volksschulklassen teilgenommen haben und insgesamt 126 Kinder getestet wurden. Ein detailliertes Begabungsprofil wurde für jedes einzelne Kind angelegt und eine Vorher/Nachher-Messung durchgeführt.

Über drei Monate lang wurden in den Klassen zweimal wöchentlich jeweils zweistündige Theaterworkshops abgehalten. Danach wurde eine signifikante Verbesserung bis zu 50 Prozent in den verschiedensten Bereichen festgestellt – von der erhöhten Aufmerksamkeit bis hin zum besseren Selbstwertgefühl in der Familie. Der Hirnforscher Manfred Spitzer wurde auf die Studie aufmerksam, und beteiligte sich an dem Buch, das nun zu diesem Thema herausgegeben wurde. Ein Praxisbuch für Eltern und Lehrer, mit ausgewählten theatralen Übungen, "um ihnen zu zeigen, wie man ganz konkret die Kinder fördern kann."

Das Argument, es gäbe zu wenig Zeit und Personal, um die Theaterarbeit an den Schulen umzusetzen, dieses Argument hält nicht, denn alle Übungen können direkt und unmittelbar in den praktischen Unterricht einfließen, zu jeder Übung gibt es eine Lehrplanzuordnung. "Durch die Wiederholung der Serialität wird automatisch auch ein Zugang zum Verständnis von mathematische Verständnis gefördert – Rhythmus fordert vorausplanende Denken, eine Handlung zu planen, durchzuführen und zu Ende zu bringen, und das ist eine Förderung der Logik, die der Mathematik hilft", meint Rotter.

Fortsetzung mit Lehrlingen

Sylvia Rotters Bildungsinitiative soll fortgeführt und erweitert werden. In Workshops werden Lehrerinnen und Lehrer zu Theatertrainern ausgebildet, es werden Elternbefragungen durchgeführt, und im nächsten Schritt ist die Arbeit mit Lehrlingen geplant. Felix Mitterer schreibt dafür eine zeitgemäße "Romeo und Julia"-Fassung, die die Lehrlinge dann im Theater Akzent darbieten werden. Und auch hier werden sie wieder durch Vorher/Nachher-Studien begleitet. Wer konkrete Ergebnisse des Wiener Kindertheaters von Sylvia Rotter sehen möchte, hat am 7. September 2010 Gelegenheit dazu. Da wird im Studio Molière in der Wiener Liechtensteinstraße Ferdinand Raimunds "Alpenkönig und Menschenfeind" gezeigt.

Service

Buch Sylvia Rotter und Brigitte Sindelar, "Vorhang auf fürs Leben", edition besser leben

Das Wiener Kindertheater