Momentaufnahmen urbaner Entwicklung

26 Wiener Tankstellen

Der US-amerikanische Künstler Ed Ruscha gestaltete 1963 die Fotoserie "Twentysix Gasoline Stations". Der Fotograf Stefan Oláh und der Kunsthistoriker Sebastian Hackenschmidt haben jetzt die ästhetischen Phänomene rund um Wiener Zapfsäule in Augenschein genommen.

"Die Tankstellen mussten sich in die Stadt fügen."

Sebastian Hackenschmidt über architektonische Eigenheiten Wiens

Amerikanische Standards

Nicht die Fotografie, sondern die Tankstelle selbst ist das Kunstwerk - postulierte Ed Ruscha in Hinblick auf seine 1963 erschienene Fotoserie "Twentysix Gasoline Stations". 26 Tankstellen lichtete der amerikanische Künstler, während zahlreicher Fahrten auf dem Highway 66, zwischen Oklahoma und Los Angeles ab.

Auf der Basis dieser Schnappschüsse gestaltete er auch jenes großformatige Pop Art Gemälde einer archetypischen "Standard-Tankstelle", das sich als wegweisend für die amerikanische Kunstgeschichte herausstellen sollte.

In deutlicher Anlehnung an seine Arbeit haben der Fotograf Stefan Oláh und der Kunsthistoriker Sebastian Hackenschmidt die ästhetischen Phänomene rund um die Zapfsäule nun ebenfalls in Augenschein genommen. "Sechsundzwanzig Wiener Tankstellen“"lautet der Titel ihres soeben im Verlag Roma Publications erschienen Text- und Fotobands. Die gleichnamige Ausstellung wird Donnerstagabend Abend im Klaus Engelhorn Depot eröffnet.

Diskretes Wien

Um "architektonisch vermittelte Kommunikation" handelt es sich, so Sebastian Hackenschmidt, bei den weithin sichtbaren Tankstellen des amerikanischen Typus, wie sie auch an der Wiener Peripherie zu finden sind. Das Werbeschild sei da nicht selten größer als die eigentliche Anlage. Weitaus zurückhaltender präsentiert sich die innerstädtische Variante. Die typische Wiener Tankstelle befindet sich im Hinterhof, im Erdgeschoß eines Neubaus, oder ganz einfach auf dem Gehsteig.

Fotografisch festgehalten wurden etwa die Champion-Tankstelle in der Bartensteingasse, die so eng ist, dass das Auto mithilfe einer Drehbühne in Ein- und Ausfahrtsposition gebracht werden muss, und die Tankstelle Hölzl, die im dritten Bezirk - am Rande des Fasanviertels - scheinbar aus der Zeit gefallen ist. Die beinah romantische, in eine Nische des Unteren Belvedere geschmiegte Shell-Tankstelle am Schwarzenbergplatz konnte nur noch in der Abrissphase fotografiert werden.

Persönliche Bezugsgeschichte

Einen nostalgischen Blick wollte man, so Stefan Oláh, jedoch bewusst vermeiden. Seine Farbfotografien sind Momentaufnahmen urbaner Entwicklung. Sie sollen den Ist-Zustand professionell und unsentimental dokumentieren. Für den Betrachter, meint Oláh, entfaltet sich dennoch eine persönliche Bezugsgeschichte. Emotionale Reaktionen würden etwa jene Tankstellen hervorrufen, bei welchen man zuallererst getankt, oder als Student gerne Bier geholt habe.

Die im Titel versprochenen 26 Wiener Tankstellen sind im Buch übrigens auf 34 angewachsen. Eine "angenehme und gewollte Überschreitung", meint Sebastian Hackenschmidt. Ganz so, als wenn man ein Kilo Kirschen kauft und noch eine Handvoll dazu bekommt.

Service

Sebastian Hackenschmidt und Stefan Oláh, "Sechsundzwanzig Wiener Tankstellen", Roma Publications

Ed Ruscha
Roma Publications
Klaus Engelhorn