Ausstellung im Museum Postsparkasse

Wagner-Schule: Rotes Wien

Die 1920er Jahre des vorigen Jahrhunderts galten in den USA als wildes und in Berlin als Goldenes Zeitalter. In Wien wiederum gehörten sie ganz den Arbeitern. Wie sich das in der Architektur auswirkte, das beleuchtet eine Ausstellung, die am 5. Juli 2010 im Wagner:Werk Museum Postsparkasse eröffnet wird.

Mittagsjournal, 05.07.2010

Otto Wagner gilt ja eigentlich als Architekt des Großbürgertums, als Beleg seien nur seine Wienzeilen-Häuser genannt. Wie kam es also dazu, dass sich seine Schüler für die Belange der Arbeiterschaft interessierten und in den 1920er Jahren zu den gefeierten Gestaltern der großen Wiener Gemeindebauten wurden? Kurator Wolfgang Förster: "Tatsächlich liegt es in der Ausbildung der Wagner-Schule, dass viele seiner Studenten für diese neue Aufgabe des Gemeindebaus prädestiniert waren, und dazu zählt vor allem der Umgang mit großen Baumassen, eine Monumentalität, aber immer auch der menschliche Maßstab."

Schon die Bassena-Häuser der Jahrhundertwende besaßen teils monumentale Fassaden. Dahinter herrschten aber primitivste Wohnverhältnisse. Adolf Loos sprach deshalb auch von einer potemkinschen Stadt. Anders bei den neu entstehenden Gemeindebauten. Wolfgang Förster: "Die Wohnungen waren natürlich klein, aber alle – und das war eine große Neuerung damals – mit Wasser und WC ausgestattet. Manche von ihnen besaßen zudem noch Balkone und blickten in helle, begrünte Innenhöfe."

Zugang für alle

Wagner-Schüler Hubert Gessner wurde zum wichtigsten Baumeister der Sozialdemokratie. Auf dem Wiener Margaretengürtel, damals gerne die "Ringstraße des Proletariats" genannt, fand sich sein Prunkstück des Wiener Gemeindebaus, der Reumann-Hof. Auf der anderen Donauseite, in Floridsdorf, entstand sein Großprojekt, die Gartenstadt Jedlesee.

Innerhalb dieser damals als Volkswohnungspaläste bezeichneten Anlagen fanden sich Geschäfte und Bäder, aber auch medizinische und kulturelle Einrichtungen. Die Gemeindebauten waren aber keine Ghettos, die sich zur umliegenden Stadtlandschaft hin abschlossen. "Jeder Stadtbewohner kann durch diese Anlagen durchmarschieren", so Wolfgang Förster. "Es schafft also einen Mehrwert für die übrige Stadt, genauso wie die Gemeinschaftseinrichtungen auch den Bewohnern der umliegenden Stadtteile offenstanden."

Gemeindebau mitten in Döbling

Von der Opposition besonders angefeindet wurde der von Karl Ehn entworfene Karl-Marx–Hof, weil er mitten ins bürgerliche Döbling gepflanzt worden war. Dabei wurde gerade der Karl-Marx-Hof zum Aushängeschild. Wien war zu Beginn der 1920er Jahre ja die einzige von Sozialdemokraten regierte Millionenstadt der Welt und präsentierte sich mit diesem Prestigebau auch international.

"Man wollte bewusst auch Wahrzeichen für die Stadt schaffen", sagt Förster. "Es gibt Tourismusplakate aus jener Zeit, auf denen der Karl-Marx–Hof abgebildet ist. Man wollte diese Position des sozialen Wiens also auch international präsentieren."

Wohnungen für zehn Prozent der Wiener

Selten lassen sich gesellschaftliche Umwälzungsprozesse so deutlich in der Architektur ablesen, wie in dieser Epoche, die darüber hinaus äußerst kurz war. 1934 endete mit dem Ende der Demokratie die rege Bautätigkeit. Bis dahin hatte man es aber geschafft, ein Zehntel der Wiener Bevölkerung in den neuen Gemeindebauten unterzubringen.

Service

Ausstellung "Wagner-Schule: Rotes Wien. Architektur als soziale Utopie", 6. Juli bis 28. August 2010, Wagner:Werk Museum Postsparkasse Wien

Wagner:Werk Museum Postsparkasse