Angezeigter Fall nicht der einzige?

Schulbrüder: Mehrere Verdachtsfälle

Mit der Anzeige der Klasnic-Kommission gegen den Schulbrüder-Orden wird ein Fall, der schon Mitte der 1990er Jahre von der Justiz eingestellt wurde, wieder an sie herangetragen. Die Erzdiözese Wien bestätigt den Verdacht, der Beschuldigte habe schon vor Wochen seine Funktionen ruhend gestellt. In der Anzeige dürfte es aber auch um andere Verdachtsfälle gehen.

Mittagsjournal, 06.07.2010

Ruhendstellung gemäß Richtlinie

In den vergangenen Wochen dürften sich mehrere mutmaßliche Opfer an die Klasnic-Kommission gewandt haben, die Internatsschüler bei den Schulbrüdern waren. Heute gibt sich die Kommission bedeckt, morgen soll es eine Sitzung zu diesem Thema geben. Die Erzdiözese Wien bestätigt den Verdacht der sexuellen Gewalt, weist aber auch darauf hin, dass das Verfahren bereits eingestellt wurde. Der Sprecher der Erzdiözese Wien, Erich Leitenberger, sagt, der Beschuldigte habe eine seiner Funktionen routinemäßig gewechselt, aber auch wegen der Vorwürfe andere Funktionen ruhend gestellt: "Dass er heute Vize-Provizial ist und nicht mehr Provinzial war eine ganz routinemäßige Veränderung." Eine andere Sache sei, dass es seit dem Jahr 2006 in der Erzdiözese Wien verpflichtende Richtlinien, dass jeder, gegen den so ein Verdacht vorliegt, seine Funktion ruhend stellt, bis die Vorwürfe geklärt sind.

Gravierende Vorwürfe

Der Orden der Schulbrüder selbst war heute für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Die Vorwürfe gegen den Orden der Schulbrüder sorgen schon Mitte der 90er Jahre für Aufsehen - noch vor dem Fall Groer und bevor Missbrauchsfälle in der Kirche in Österreich zum Thema geworden sind. Die Vorwürfe der Mutter des damals elfjährigen mutmaßlichen Opfers sind massiv, sie spricht von Vergewaltigungen, die über mehrere Monate hinweg gedauert haben sollen. Die Untersuchungsrichterin hingegen sagt heute, die Geschichte sei ihr damals erfunden erschienen, die Gutachten seien nicht eindeutig gewesen, die Befragung des Kindes habe sich schwierig gestaltet. Die Möglichkeit einer kontradiktorischen Einvernahme gab es damals noch nicht, die Staatsanwaltschaft stellte den Fall daraufhin ein.

Mehrere Schulbrüder-Schüler meldeten sich

Die Mutter des heute 29jährigen mutmaßlichen Opfers will sich damit nicht zufrieden geben und wendet sich Jahre später an die Klasnic-Kommission. Die Anzeige erfolgt einerseits auf Wunsch der Mutter, andererseits auch, weil sich, sagen Mitglieder der Kommission, mehrere ehemalige Schüler der Schulbrüder an die Kommission gewandt haben. Erich Leitenberger, Sprecher der Erzdiözese, bestätigt, dass sich auch bei der kirchlichen Ombudsstelle ehemalige Zöglinge des Ordens gemeldet haben. Es seien auch Befragungen durchgeführt worden.

Anzeige wird geprüft

Bei der Staatsanwaltschaft ist die Anzeige bereits eingegangen. Details kann der zuständige Sprecher noch nicht sagen, man werde die Sache prüfen.

Dementi in Pressekonferenz

Der Orden der Schulbrüder in Wien-Strebersdorf hat später am Dienstag Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs zurückgewiesen. "Sexuelle Übergriffe kann ich mit absoluter Sicherheit ausschließen", erklärte Bruder Paul Kaiser, einer der Beschuldigten in einem Fall in den 90er Jahren. Dieser Vorwurf sei damals überprüft und die Unschuld der Beschuldigten bestätigt worden, betonten die Ordensbrüder bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz.

"Bei der Wahrheit bleiben"

Die Ordensbrüder haben von der Anzeige der Klasnic-Kommission Dienstag früh aus den Medien erfahren. Die Unterlagen zur Sachverhaltsdarstellung habe man noch nicht bekommen, hieß es. Provinzial Johann Gassner geht aber davon aus, dass es sich bei den Vorwürfen um jene aus den 90er Jahren handelt. Die Mutter eines damals Elfjährigen warf den Ordensbrüdern die Vergewaltigung ihres Sohnes vor. "Wir sind gerne bereit für Fehler einzustehen, die wir begangen haben, ersuchen aber dringend, bei der Wahrheit zu bleiben", verlas Gassner aus einer Stellungnahme.

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