Die Geschichte einer ersten Liebe

8. April 2017, 21:58

Alter ego Lukasser

Madalyn ist 14. Den Schriftsteller Sebastian Lukasser kennt sie seit ihrem fünften Lebensjahr. Wir kennen Sebastian Lukasser auch - als alter ego von Michael Köhlmeier und als Protagonist in seinem Roman "Abendland". Da hat er die Geschichte des Mathematikers Carl Jakob Candoris aufgeschrieben. Jetzt kümmert er sich um Madalyn, die gerade ihre erste Liebe erlebt.

Die 14-jährige in sich suchen

Wie weiß ein Autor, ein Mann Ende 50, was in einer frisch verliebten 14-Jährigen vorgeht? "Ich glaube nicht einmal so sehr, dass es einem da viel nützt, wenn man das von außen mitgekriegt hat, wenn es einem erzählt worden ist", so Köhlmeier. "Ja schon auch - da kann man Äußerlichkeiten hernehmen. Aber was wirklich in dieser Person vor sich geht, das kann man nur imaginieren. Um wirklich den Kern zu finden, muss ich innerlich diese 14-Jährige in mir suchen."

Michael Köhlmeier hat sie gefunden. Einfühlsam und psychologisch versiert schreibt er über Madalyns Sehnsüchte und Träume, über ihre romantischen Phantasien und Schwärmereien genauso wie über die Telephoniersucht oder über das, was man "Einüben einer Identität" nennen könnte.

Fiktion und Realität

"Ich habe schon ein bisschen Respekt vor großen Gefühlen, einfach deswegen, weil sie einen so leicht verleiten, schlecht zu schreiben. Wenn die großen Gefühle da sind, gehen ja, wie man weiß, die Worte zurück. Ein Mensch, der sich das erste Mal verliebt, ist wie eine Spinne, die sich häutet. Die ist ja für eine Stunde vollkommen wehrlos, hängt an einem winzigen Faden. Und so ist man. Also, die Madalyn ist vollkommen wehrlos."

Moritz heißt Madalyns Freund und er ist kein einfacher Fall. Moritz ist neu an der Schule. Nachdem er bei einem Einbruch erwischt worden war, soll er noch eine Chance bekommen. Er erzählt haarsträubende Geschichten über seine Eltern und pflegt überhaupt einen saloppen Umgang mit der Wahrheit. Die Lüge ist auch ein Leitmotiv in diesem Buch, oder vielleicht besser: die komplizierte Beziehung zwischen Fiktion und Realität.

Die eigene Umgebung ausbeuten

Angesiedelt ist der Roman im Wien des Jahres 2009, genau verortet zwischen dem Gymnasium Rahlgasse, Café Sperl und Donaukanal.

Die Direktorin der Nationalbibliothek mit dem Namen Johanna Rachinger kommt ebenso vor, wie die Wiener Buchhändlerin Anna Jeller. Und eine Frage wird auch gleich am Beginn aufgeworfen, nämlich: In wie weit beutet ein Autor seine Umgebung aus?

"Natürlich beute ich sie aus und ich mach das viel schamloser als Kollegen von mir. Wenn ich mich raus setze, und mich nicht in die Situation des Schreibers versetze, dann bin ich manchmal erstaunt, aber als Schreiber tue ich es eigentlich ziemlich rücksichtslos, muss ich sagen. Und wenn jemand eine wirklich gute Geschichte erzählt und wenn er mir das Wort abnimmt, dass ich es nicht verwenden darf, dann will ich mich gern dran halten. Wenn er mir das nicht abnimmt, dann kann ich es nicht garantieren."

Parallelroman zum "Abendland"

An einer wirklich guten Geschichte arbeitet auch Sebastian Lukasser. Es gehe um einen Mörder, erzählt er seiner Madalyn. Und Michael Köhlmeier erzählt wiederum, dass dieser Romanstoff auch ihn beschäftigt. Wechseln die beiden in das Krimigenre?

"Nein nein, überhaupt nicht. Ganz und gar nicht. Es ist die Lebensgeschichte eines Mannes, von seiner ersten Erinnerung weg bis in die Gegenwart. Er dürfte ungefähr in meinem Alter sein. Es ist eine sehr turbulente Geschichte, insofern als er sehr viel erlebt hat. Unter anderem hat er als knapp 16-jähriger einen Mord begangen. Also, es in einer gewissen Weise wird das auch ein Parallelroman zum 'Abendland'".