Von Fremden Ländern und Menschen

Look I am a Foreigner

"Look I am a Foreigner" - mit diesem Satz machte Fritz Morgenthaler auf sich aufmerksam, nachdem er tagelang vergeblich in der Bar seines Hotels in New York Kaffee mit Milch und ohne Zucker bestellt hatte und immer das US-übliche Gebräu erhielt.

Durch seinen Einwurf wurde er bemerkt, bekam den gewünschten Kaffee, andere Gäste sprachen ihn an. Morgenthaler hatte gemeinsam mit Paul Parin und dessen Frau Goldy Parin-Matthèy die Ehtnopsychoanalyse begründet. Den Satz "Look I am a Foreigner" verstand er als Abgrenzung und Ausdruck der Konfrontation.

Positive Irritation

Klaus Ottomeyer erklärt die Wahl des Titels folgendermaßen: "Wir fanden, dass das ein Schlüsselsatz für eine bestimmte Art der Forschung und der Begegnung in der sogenannten Dritten Welt ist, weil er darauf hinweist, dass wir immer Fremde bleiben und dass wir das nicht überspielen sollen. Außerdem zeigt er auch auf, dass man am besten in Kontakt mit anderen kommt, indem man auch darüber redet, was einem befremdlich erscheint. Die Irritation, die Kommunikation über das Befremdliche, ist immer der Schlüssel."

Das Buch "Look I am a Foreigner" trägt den Untertitel "Interkulturelle Begegnungen und psychosoziale Praxis auf fünf Kontinenten." Das klingt nach akademischem Fachbuch, es ist aber tatsächlich viel mehr. Klaus Ottomeyer hat mit dem Gründer der Ethnopsychoanalyse, Paul Parin, bis zu dessen Tod eng zusammengearbeitet.

Einer der Grundsätze dieser Disziplin ist, dass das eigene Erleben der Forscher eine wichtige Quelle ist; der Forschungsprozess wird in "teilnehmender Beobachtung" vollzogen. Von diesem Verständnis ausgehend sind die Berichte aus den fünf Kontinenten voller persönlicher Erlebnisse und Geschichten aus der fremden Welt. Dadurch werden sie auch für nicht-fachgebundene Leserinnen und Leser zum Gewinn. Denn wer immer sich abseits von All-Inclusive Touren bewegt, wird mit dem Fremden konfrontiert.

"Wir kommunizieren als Forscher oder auch als Reisende immer in einem Kontext, den der palästinensisch-amerikanische Literaturwissenschaftler Edward Said die 'verflochtenen Geschichten' genannt hat. Das heißt, wir haben ein antizipiertes Bild, oftmals verbunden mit Schuldgefühlen, über die ehemals Kolonisierten in den fremden Ländern, über ihre Urtümlichkeit oder auch darüber, was wir - unsere Kultur - ihnen angetan haben. Diese ehemaligen Kolonisierten haben auch ein antizipatorisches Bild über uns, in dem oft so etwas wie die unendliche Verfügung über Reichtum enthalten ist", sagt Ottomeyer.

Große Themenvielfalt

Die Auswahl an Geschichten ist bunt wie die Zusammenstellung der Weltgegenden, in die die Autorinnen aus den unterschiedlichsten Gründen ausschwärmen: Klaus Ottomeyer und seine Frau Helga Mracnikar etwa hielten Psychodramakurse für die Betreuer von Straßenkindern in Tansania, andere erforschten die Ursprünge chinesischer Weisheit, die Unterschiede zwischen Vietnamesen und Auslandsvietnamesen, Thailand nach dem Tsunami, ein Zirkusprojekt für Kinder von Aborigines in Australien oder Frauenkultur auf Jamaika.

Sie waren also in Ländern unterwegs, die abenteuerlustige Reisende auch besuchen würden. Andere Autoren, wie Mitherausgeber Helmut Spitzer, arbeiteten in gefährlichen Regionen - etwa in Uganda, das sich als Urlaubsziel eher nicht empfiehlt. Immer aber stellten die Begegnungen Herausforderungen dar, weil sozusagen Welten aufeinander treffen.

Klaus Ottomeyer erzählt dazu: "Eine andere Variante dieser Spannung zwischen der geldbesitzenden und der armen Welt ist eine interessante Forschung, die eine Kollegin in Tuwa im östlichsten Sibirien gemacht hat, wovon man bis vor kurzem angenommen hat, dass dort die urtümlichsten Schamanen wirken. Bei der Ankunft am Flughafen waren das Erste, was sie sah, die Preislisten der konkurrierenden Schamanenorganisationen für die Reisenden. Die Kunst besteht darin, die Kommunikation jetzt nicht abzubrechen, sondern dies als Ausdruck der Spannung zwischen den Reichen und den Armen zu verstehen."

Erfolgsfaktor Wissen

Karin Zedlacher konnte bei den Schamanen in Sibirien letztendlich doch noch urtümliche Rituale beobachten. Sie ist Sozialpsychologin, Astrologin und Künstlerin. somit trifft für sie zu, was auch bei allen anderen Autorinnen und Autoren des Buches auffällt: Sie arbeiten in mehreren, oft sehr unterschiedlichen Disziplinen, was ihnen bei ihren Beobachtungen zugutekommt. Möglichst viel zu wissen, so Ottomeyer, sei ein guter Ausgangspunkt für spannende Reisen.

Am Schluss wird in dem Buch daran erinnert, dass wir Fremden nicht nur auf anderen Kontinenten begegnen können, sondern auch im eigenen Land. Fremden, die hierzulande oft verfolgt und als Feinde angesehen werden.

Dies wird am Beispiel der Therapiegeschichte eines tschetschenischen Flüchtlingsmädchens erzählt, und dazu liefert Siegfried Stupnig, Mitarbeiter des Vereins Apsis, einen Blick auf die brutale Gegenwart Tschetscheniens. Auf diese Weise könne man aufzeigen, dass alles mit allem zusammenhängt, so Klaus Ottomeyer: "Man sollte immer daran denken, dass Flüchtlinge auch immer etwas mit uns zu tun haben - die sichere Ölversorgung hat sicher etwas mit dem Krieg und der Folterdiktatur in Tschetschenien zu tun! So etwas sollte man wissen."

Service

Klaus Ottomeyer, Barbara Preitler und Helmut Spitzer (Hrsg.), "Look I am a Foreigner. Interkulturelle Begegnung und psychosoziale Praxis auf fünf Kontinenten", Drava Verlag

Drava Verlag - Look I am a Foreigner

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