Grillparzer-Spätwerk im Burgtheater

Die Jüdin von Toledo

Am Samstag findet im Wiener Burgtheater die erste Premiere der Saison statt: Grillparzers "Die Jüdin von Toledo", ein selten gespieltes Spätwerk des Schriftstellers. Regie führt der Deutsche Stephan Kimmig, ein Garant dafür, dass es, obwohl die Handlung im 12. Jahrhundert spielt, kein Ritterrüstungsspektakel wird.

Kultur aktuell, 10.09.2010

Wir schreiben das Jahr 1195. Die maurischen Armeen bedrohen Toledo. Doch der König hat anderes im Sinn: Ein hübsches jüdisches Mädchen hat ihm den Kopf verdreht. Der Hofstaat ist empört, und es ist klar: Die Jüdin muss weg. So geschieht es auch: Das Mädchen wird abgeschlachtet. Der König besinnt sich seiner Pflichten und wird die Mauren bekämpfen.

Soweit die Handlung dieses Stückes. Für Regisseur Stephan Kimmig ist vor allem die Figur des Königs interessant: "Weil das so ein Normalo ist, ein Durchschnittsmensch im Grunde, der für ziemlich viele Politiker als Vorbild gelten kann."

Disziplin ohne Leidenschaft

Ein Politiker, der Disziplin kennt aber keine Leidenschaft: "Er hat wenig gelebt, wenig mitbekommen, hat funktioniert, damit er eine Parteikarriere machen kann. Dann bricht etwas Fremdes ein, das verboten ist."

Das Verbotene ist das jüdische Mädchen Rahel, sie widersetzt sich den Warnungen, in einer pogromschwangeren Atmosphäre in der Stadt, betritt verbotenes Terrain, weil sie sich in den Kopf gesetzt hat, den König zu treffen. Und so entsteht eine Art Amour Fou. Eine Leidenschaft, die allerdings bald an ihre Grenzen stößt, der König soll an seine Pflichten erinnert werden.

Heiliger Krieg gegen Araber

"Der König, also dieser Politiker, geht durch dieses Stahlbad dieser Verwandlung und ist danach so ein harter Typ, der sich diese Emotion weggeätzt hat und es in einen heiligen Krieg gegen die Araber führt. Und das find ich sehr beängstigend, so Kimmig. Das ist für ihn auch der Aktualitätsbezug des Stückes: "Ich finde immer, dass es nur Sinn mach, Stücke aufzuführen, um sie abzuklopfen, was sie mit der Realität unserer Gesellschaft im Jetzt zu tun haben."

Die Jüdin von Toledo ist die zweite Auseinandersetzung von Stephan Kimmig mit Grillparzer, 2004 bekam er für seine Inszenierung von "Das goldene Vlies", ebenfalls an der Burg, einen Nestroy.

Grillparzers Modernität

Was schätzt er so an Grillparzer? "Diese Brüchigkeit, das tiefe Wissen um die Ambivalenzen in unserer Seele, in unserem Kopf, in unserem Denken, in unserem Geist - dieses Zerrissene, das beschreibt er wahnsinnig modern. Da ist er bei Ingmar Bergman eigentlich."

Rein formal spielen die Darsteller natürlich in modernen Kleidern, und Kimmig hat dem Stück einen Prolog zum Thema Heimat vorangesetzt. Premiere ist Samstagabend, Peter Jordan spielt den König von Kastilien, in der Rolle der Rahel ist Yohanna Schwertfeger zu sehen, Martin Schwab spielt ihren Vater.