"Bürgerarbeit" bei Mindestsicherung

ÖVP für Arbeitspflicht

Die ÖVP verlangt strengere Regeln für die Bezieher der Mindestsicherung. Konkret sollen die Bezieher der Mindestsicherung zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden, wenn sie nach sechs Monaten keinen Job auf dem Arbeitsmarkt gefunden haben. ÖVP-Staatssekretärin Christine Marek spricht von einer "Keule gegen sozialen Missbrauch".

Morgenjournal, 14.09.2010

Drohung als Motivation

In Deutschland heißt es Bürgerarbeit und ist in Pilotversuchen mit Langzeitarbeitslosen so gut gelaufen, dass es Nachfolgeprojekte geben wird. Die ÖVP will das Modell jetzt für Österreich übernehmen und für Mindestsicherungsbezieher verpflichtend machen.

Rasenmähen, Straßenkehren, Sanktionen

Ohne den ersten Arbeitsmarkt zu stören, sollen betroffene Langzeitarbeitslose für gemeinnützige Tätigkeiten herangezogen werden. Marek, die als Wiener ÖVP-Chefin derzeit im Wahlkampf ist, aber ausdrücklich für die Gesamt-ÖVP spricht, nennt konkret: "Gemeinnützige Einrichtungen wie Caritas, Hilfswerk und andere, die in ihren Einrichtungen um jede helfende Hand auch dankbar sind." Aber auch Rasenmähen und Straßenkehren in den Gemeinden gehöre dazu. "Natürlich immer im Rahmen des Zumutbaren", so Marek, und mit Kürzungen der Mindestsicherung verbunden, wenn man sich weigert, die Arbeit zu machen. Marek schließt auch die völlige Streichung der Mindestsicherung nicht aus, darüber müsse man noch diskutieren.

"Sinnstiftung" für Langzeitarbeitslose

Für die ÖVP-Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium geht es aber nicht nur um den Kampf gegen Missbrauch. Sondern es gehe auch um den Kampf gegen die Schwarzarbeit, und andererseits darum, Menschen "sinnstiftend" wieder in den Beschäftigungsprozess einzugliedern, so Christine Marek. Deshalb hat Marek auch keine Sorge, dass ihr Vorschlag innerparteilich - etwa beim ÖAAB - auf Ablehnung stoßen könnte. Bisher hat immer nur der ÖVP-Wirtschaftsbund die Arbeitspflicht für Mindestsicherungsempfänger gefordert. Jetzt will die ÖVP das Thema Bürgerarbeit als Forderung in der Koalition einbringen.

Deutsches Exempel

Als Vorbild für Marek gilt das Projekt Bürgerarbeit in Deutschland, das vor kurzem ausgeweitet worden ist. Dort läuft es aber unter umgekehrten Vorzeichen: Nicht die Sanktionen bei Verweigerung der Arbeit stehen im Vordergrund, sondern die Motivierung und Aktivierung von Menschen, die lange aus dem Erwerbsprozess ausgeschlossen waren.

"Wieder Gefühl, gebraucht zu werden"

Projektleiterin Sylvia Kühnel von der Bundesagentur für Arbeit im Morgenjournal-Gespräch vom 14.09.2010 mit

Gute Erfahrungen

Projektleiterin Sylvia Kühnel von der Bundesagentur für Arbeit in Deutschland bezeichnet die Bürgerarbeit als Erfolg: An den fünf Standorten habe man die Arbeitslosigkeit im Schnitt um die Hälfte senken und für die Langzeitarbeitslosen etwas Gutes tun können. Mittlerweile gebe es in fast jedem deutschen Bundesland Bürgerarbeit-Projekte.

Motivation wieder herstellen

Sozialen Missbrauch zu verhindern sei auch ein Ansatz, man müsse das aber ganzheitlich sehen, so Kühnel: Nach 20 Jahren ohne reguläre Arbeit herrschten Demotivation, Resignation, daraus entstandene Krankheiten, Bürgerarbeit könne Motivation wiederherstellen und das Gefühl, gebraucht zu werden. Dass man damit auch Missbrauchstendenzen in den Griff bekomme, sei ein guter und nachhaltiger Nebeneffekt.

Manches wird wieder möglich

Auch die Gesellschaft habe profitiert, sagt Kühnel. Die für die Projekte ausgewählten Kommunen, kleinere Städte, hätten ohnehin finanzielle Probleme und bestimmte Leistungen nicht mehr finanzieren können. Als Beispiel nennt sie die ambulante Seniorenbetreuung wie Kaffeekränzchen oder Lesenachmittage, die es vor der Bürgerarbeit nicht mehr gegeben habe.