Chinesischer Regimekritiker geehrt

Friedensnobelpreis für Liu Xiaobo

Der diesjährige Friedensnobelpreis geht an den chinesischen Regimekritiker und Schriftsteller Liu Xiaobo. Das teilte das norwegische Nobelkomitee am Freitag in Oslo mit. Liu Xiaobo ist derzeit inhaftiert.

Mittagsjournal, 08.10.2010

Kritik an China

Komitee-Sprecher Thorbjörn Jagland begründete die Entscheidung mit Chinas verändertem Status in der Welt: In den letzten Jahren habe China wirtschaftliche Fortschritte erreicht wie kein anderes Land in der Geschichte. China sei jetzt die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, und hunderte Millionen von Menschen wurden aus der Armut herausgehoben. Chinas neuem Status müsse nun auch eine größere Verantwortung folgen, so der Vorsitzende des Nobelpreiskomitees: China setze sich über zahlreiche internationale Abkommen hinweg, die es unterzeichnet habe, aber auch über eigene Vorschriften über politische Rechte. So seien die Meinungs- und Medienfreiheit in der chinesischen Verfassung verankert.

Das Nobel-Komitee begründet seine Entscheidung

Liu Xiaobo erhält den Preis "für seinen langen, gewaltfreien Kampf um grundlegende Menschenrechte in China."

Zu elf Jahren Haft verurteilt

Der Ehrenvorsitzende des Pen-Clubs unabhängiger chinesischer Schriftsteller, Liu Xiaobo (54), ist im Dezember 2009 wegen "Untergrabung der Staatsgewalt" zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Er sitzt im Jinzhou-Gefängnis in der Provinz Heilongjiang im fernen Nordosten Chinas und darf nur einmal im Monat von seiner Frau Liu Xia besucht werden. Durch seine schwere Bestrafung sei Liu zum sichtbarsten Symbol des Kampfes für die Menschenrechte in China geworden, sagt Thorbjörn Jagland vom norwegischen Nobelpreiskomitee.

Tradition der "Charta 77"

Liu Xiaobo ist einer der führenden Köpfe hinter der "Charta 08", ein Appell für Demokratie und Menschenrechte. Das Dokument war zum 60. Jahrestag der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen im Dezember 2008 veröffentlicht worden und hat Chinas Führung ins Mark getroffen. Es sieht sich in der Tradition der "Charta 77" vom Januar 1977 in der Tschechoslowakei. Mehr als 10.000 Menschen haben unterzeichnet.

Regime nimmt Entscheidung "zur Kenntnis"

Die chinesische Regierung hat am Freitag zunächst nur äußert knapp auf die Vergabe des Friedensnobelpreises für den Dissidenten Liu Xiaobo reagiert. Die Entscheidung des Nobel-Komitees sei "zur Kenntnis" genommen worden, sagte eine Vertreterin des Außenministeriums in Peking lediglich. Einen weiteren Kommentar lehnte sie ab.

"Schaumgebremste Reaktion Pekings"

ORF-Korrespondentin Cornelia Vospernik im MIttagsjournal-Gespräch am 08.10.2010 mit

Peking sah Bedrohung

In einer Petition hatten sich 300 chinesische Intellektuelle, Anwälte, Fabrikarbeiter und pensionierte Funktionäre überzeugt gezeigt, dass eine Vergabe des Friedensnobelpreises nach China den politischen Wandel beschleunigen werde. Die kommunistischen Machthaber sehen Liu Xiaobo als Bedrohung. Vizeaußenministerin Fu Ying hat direkt beim Nobelkomitee mit einer "Verschlechterung" der Beziehungen zu Norwegen gedroht.