Teilnahme an Alternativ-Festival in Madrid

Österreichische Doku über indigenes Volk

In Madrid ging ein Alternativ-Festival zu Ende, das seit sechs Jahren Dokumentar- und Spielfilme aus Lateinamerika und Asien zeigt. Das Festival "El Ojo Cojo" ("Das hinkende Auge") ist dem Dialog zwischen den Kulturen gewidmet. Zu sehen war auch ein österreichischer Beitrag: "Tatuutsi Maxakwaxi" von Barbara Sackl.

Kultur aktuell, 18.10.2010

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El Ojo Cojo

Shakespeare in Mexiko-City

Die Geschichte ist nicht neu: Müde vom Tingeln auf deutschen Theaterbühnen macht sich eine Schauspielerin auf den Weg, die Fremde zu erobern. Im Fall von Barbara Sackl war es Mexiko, das sie in den Bildern von Frida Kahlo und Diego Rivera fasziniert hatte. Der erste Besuch in Mexiko-City konfrontierte die Linzerin dann mit der Gewalt einer Megastadt, auf die sie mit ihren Mitteln antworten wollte: Sie inszenierte mit Jugendlichen ein Stück von Shakespeare.

"In Mexiko-City gibt es durchaus Gegenden, wo seit Jahrzehnten oder seit Jahrhunderten Krieg in der Bevölkerung herrscht, wo Bandenkriege an der Tagesordnung sind, wo die Menschen traumatisiert sind. Ich habe da auch ein 'Romeo und Julia'-Projekt gemacht", so Sackl. Das Thema der Liebe zwischen den Fronten hat sie als Grundlage genommen, um mit jungen Menschen zwischen 17 und 25 Jahren zu arbeiten. "Zwischen diese Szenen waren improvisierte Szenen aus dem unmittelbaren Alltag dieser Menschen eingewoben."

Stamm von Bergbauern und Jägern

Einen Teil der Einspielergebnisse spendete die Regisseurin für eine indigene Schule in der Sierra Madre. Damit begann vor mehr als zehn Jahren Barbara Sackls Kontakt mit den Huicholen, einem Stamm von Bergbauern und Jägern, die im unwegsamen Gelände bis in 3.000 Meter Seehöhe leben. Sie hätten eine unglaubliche Gabe, "sich telepathisch zu verständigen", so Sackl. "Ich glaube das ist, weil sie sehr isoliert gelebt haben. Die Luft ist klar, es gibt kaum Autos, es gab bis vor kurzem keine Fernseher, es gab wenig Fremdeinwirkung. Ich glaube das bringt so etwas wie ein Zusammenschwingen einer Gemeinschaft mit sich, in der man sich ganz gut telepathisch austauschen kann. Ich habe die erstaunliche Erfahrung gemacht, dass das selbst mit mir funktioniert."

Die Huicholen leben isoliert von Zivilisation und Fortschritt. Erst vor wenigen Jahren wurden Stromleitungen verlegt, die ersten Fernsehgeräte tauchten auf. Es ist weit bis zur nächstgelegenen Großstadt: die Fahrt im Auto bis Guadalajara dauert einen Tag und länger. Wie die indigene Bevölkerung lebt ist den Mexikanern weitgehend unbekannt und gleichgültig, meint Barbara Sackl: "Das offizielle Mexiko bezieht sich ja sehr gerne auf die großartige aztekische Kultur und auf die indianischen Vorfahren und merkt auch, wie sehr viel Geld investiert wird in Pyramiden, in die Touristenattraktionen. Aber der lebendige Indianer sozusagen, der auf der Straße bettelt oder im Hinterland lebt, der ist eigentlich nur störend."

Zweisprachiges Aufwachsen

Die Huicholen nennen sich in ihrer Sprache Wirraitari, was übersetzt Heiler oder Zauberer bedeutet. Sie wachsen zweisprachig auf, in ihren Schulen werden sie sowohl mit der Tradition ihrer Vorfahren, als auch mit der spanischen Sprache und der modernen Zivilisation vertraut gemacht.

"Alle Kinder, die damals an der Schule waren, waren an dem Theaterprojekt beteiligt. Alle wollten mitspielen, ich habe damals Theater mit 104 Kindern gemacht. Ein Stück, das ich aus einer Legende von ihnen Entwickelt habe, aus einem Mythos über die Entstehung der Welt", so Sackl. Das Stück wurde im Tempel aufgeführt, das sei ein großes Zugeständnis an ihre Person gewesen: "Ein Lehrer hat gesagt: Wir wissen, dass unsere Vorfahren Theater gemacht haben. Vielleicht war das jetzt das erste Theater sei dem Einfall der Spanier. Ich bin kein hypersentimentaler Mensch, aber ich bin fast ohnmächtig geworden."

Zivilisation mit Verfalldatum

In inzwischen drei Dokumentarfilmen hat die österreichische Schauspielerin und Regisseurin festhalten, wie die Huicholen ihren Weg zwischen Brauchtum und Fortschritt suchen. Ein Experiment, der nicht ohne Schwierigkeiten und Rückschläge verlief: "Irgendjemand ist mit dem Thema gekommen, dass es in Österreich so viele Schlösser gibt. Plötzlich war das ein Bild, dass man mich in einem Schloss angesiedelt hat und mich als Böse angesehen hat und gemeint hat, ich würde sie wie alle anderen nur ausbeuten."

Dabei muss Barbara Sackl mangels institutioneller Auftraggeber ihre Projekte zum Teil aus eigener Tasche finanzieren. Ihre Filme, von einem kleinen Team zurückhaltend und mit anthropologischem Scharfblick gedreht, sind Dokumente einer Zivilisation mit Verfallsdatum.

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