Von Flüchtlingsansturm überfordert

Nowak: EU soll Griechen helfen

Die Lage der Flüchtlinge in Griechenland ist "katastrophal" - zu diesem Urteil kommt der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak. Er hat in Griechenland im Auftrag der UNO die Situation der Flüchtlinge und der Flüchtlingsbetreuung geprüft. Die Regierung in Athen bemühe sich zwar, aber die Behörden seien einfach überfordert, so Nowak.

"Unmenschlichste Bedingungen"

Der UNO-Menschenrechtsexperte Manfred Nowak im Mittagsjournal-Interview am 21.10.2010 mit

90 Prozent aller Flüchtlinge

Griechenland habe in Europa mit Abstand die größte Verantwortung im Umgang mit Migranten und Migrantinnen. Noch im Jahr 2008 hätten 50 Prozent aller Aufgriffe von "Illegalen" in Griechenland stattgefunden. Mittlerweile, in den ersten acht Monaten des Jahres 2010, seien es 90 Prozent gewesen. Die Flüchtlinge - ganze Familien mit Kleinkindern - würden dann in irgendwelche Auffanglager gesteckt, ohne rechtlichen Schutz, unter wirklich unmenschlichsten Bedingungen, katastrophalen sanitären Verhältnissen.

Dichte Grenzen und Rückführungen

Die Gründe für das Ansteigen der Flüchtlingszahlen liegen laut Nowak unter anderem darin, dass die Grenzschutzeinheit Frontex den Seeweg dicht gemacht habe. Außerdem führe das Abkommen des libyschen Diktators Gaddafi mit dem italienischen Regierungschef Berlusconi dazu, dass kaum noch Flüchtlinge nach Italien kämen. "Was früher in Spanien, Italien und Malta war, hat sich zunehmend nach Griechenland verlagert." Dazu komme das Dublin-Abkommen, wonach Flüchtlinge in jenes Land zurückgeschickt werden, in dem sie den Asylantrag gestellt haben, so Nowak.

Europäische Solidarität

"Da muss Europa eingreifen", appelliert der UNO-Menschenrechtexperte. Seine Forderung: "Sofortiger Stopp aller 'Dublin-II'-Rückführungen. Es darf niemand nach Griechenland zurückgeschickt werden." Das widerspreche dem Artikel 3 der Menschenrechtkonvention. Die Haftbedingungen seien unmenschlich. Darüber hinaus fordert er mehr europäische Solidarität in Flüchtlingsfragen. Es sei nicht einzusehen, warum ein Land, das noch dazu in einer ökonomischen Krise stecke, die Hauptlast der Immigration nach Europa zu tragen habe. Die europäischen Staaten müssten gemeinsam vorgehen und eine "sinnvolle Migrationspolitik" überlegen. Nowak nennt als Beispiele ein Quotensystem oder ein gemeinsames europäisches Asylverfahren, wie das schon 1999 von der EU in Tampere beschlossen worden sei. Und nach wie vor würden sich die EU-Staaten aus egoistischen Eigeninteressen dagegen sträuben.