Eröffnungsfilm der Viennale

Von Menschen und Göttern

Die Viennale, das Wiener Filmfestival, startet heuet mit einem außergewöhnlichen Film: "Von Menschen und Göttern" des Franzosen Xavier Beauvois. Er beruht auf einer wahren Begebenheit.

1996 wurde eine Gruppe katholischer Mönche, die in einem abgelegenen Gebiet in Algerien lebten, von Unbekannten entführt und ermordet. Obwohl islamistische Extremisten sich zur Tat bekannt haben, ist der tragische Vorfall nie geklärt worden. "Von Menschen und Göttern" wählt allerdings einen anderen Zugang.

Kulturjournal, 21.10.2010

Publikumshit in Frankreich

"Was mich interessiert hat, war die Geschichte dieser Männer, wer sie waren. Alles andere weiß man nicht so genau, das ist sehr kompliziert, auch wenn ich eher für die These eines Übergriffs der Armee bin, also einen Hubschrauberangriff mit fatalem Ende, aber man weiß es nicht", so der Regisseur. "Ich hatte übrigens für den Film Köpfe der Enthaupteten nachbilden lassen, aber im Zuge der Dreharbeiten ist mir das dann lächerlich vorgekommen, ich habe auch an ihre Familien gedacht, und habe es schließlich nicht gefilmt", sagte Xavier Beauvois bei der Pressekonferenz in Cannes, wo sein Film großen Anklang bei der Kritik und der Jury fand.

Inzwischen ist "Des hommes et des dieux", wie der Film im Original heißt, in Frankreich drauf und dran, an Publikumsrekorde wie "Astérix" oder "Willkommen bei den Chti's" anzuschließen bzw. sie zu übertreffen. Das mag umso überraschender anmuten, als Xavier Beauvois' Film nicht unbedingt leichte Kost ist, zeigt er doch das Leben dieser acht Trappistenmönche, die in einem kleinen Bergkloster in Algerien leben - gedreht wurde übrigens in Marokko.

Auf den Film zugehen

Ein geregelter Tagesablauf zwischen Gebet, Gesang und Gartenabreit, die Kontakte mit der lokalen, moslemischen Bevölkerung in dem kleinen Dorf Tibérihine sind friedlich, man respektiert und achtet sich gegenseitig, Bruder Luc betreibt dort eine kleine Ordination - der echte Luc kümmerte sich noch im Alter von 82 Jahren um 150 Patienten täglich.

So ein Film musste langsam sein, und so gleitet der Zuschauer auch in die Langsamkeit dieses monotone Mönchsleben hinein. "Wir sind in einer Gesellschaft der Werbung, der Clips, alles muss schnell gehen, und ich glaube, dass die Menschen, dass das Publikum intelligent ist, und durchaus in der Lage ist, auf den Film zuzugehen, und dann wird der Film auch auf die Zuschauer zugehen", sagt Regisseur Xavier Beauvois. "Außerdem befinden wir uns unter Mönchen, in einer Welt der Kontemplation, des Gebets, des Gesanges, ich sehe also überhaupt keine Grund, da speedy zu sein."

Steigende Bedrohung

Doch in diesen dunklen Jahren der Gewalt zwischen der algerischen Armee und militanten Islamisten war die Stadt Médéa, unweit von Tibérihine ein besonderer Unruheherd. Und auch die Mönche bekommen Besuch von Bärtigen. Langsam steigt die Spannung und die Bedrohung. Für die Mönche stellt sich die Frage, ob sie gehen oder bleiben sollen. Jeder wird befragt. Die Meinungen sind unterschiedlich, die einen wollen das kleine Kloster verlassen, Célestin, weil er krank ist. Weggehen hieße sterben, also bleibe ich, sagt hingegen Luc, Jean-Pierre meint: Seit wann beugen wir uns den Waffen und ist fürs Bleiben.

"Die große Kraft von Xaviers Film liegt darin, dass er den Strandpunkt der Mönche eingenommen hat", meint Etienne Colmar, der mit Xavier Beauvois das Drehbuch verfasst hat. "Die Mönche selbst haben großen Wert darauf gelegt, neutral zu bleiben, also keinesfalls Stellung zu beziehen. Sie haben z.B. die Terroristen 'Brüder der Berge' genannt und die Soldaten 'Brüder der Ebene', und sie wussten, dass die einzige Möglichkeit für sie zu bleiben war, nicht Partei zu ergreifen. Und da der Film 100-prozentig ihren Standpunkt einnimmt, ist es nur kohärent, dass Xavier hier nicht Stellung bezogen hat."

Diese Neutralität zieht Beauvois bis zum Schluss durch, und mischt sich nicht in die bis heute andauernde Polemik über die Verantwortlichen des Massakers.

Verbindender Gesang

Ein ungewöhnlicher Film jedenfalls , gerade von Xavier Beauvois, der sich selbst als ungläubig definiert, und der Filme in einer völlig anderen Tonart gedreht hat, etwa "Le petit lieutenant", mit dem er 2005 auch auf der Viennale gastiert hat, und wo er das Leben in einem Pariser Kommissariat beschreibt.

So ungewöhnlich wie der Film waren auch die Dreharbeiten, erzählt Frère Christian, der Leiter des Klosters, alias Lambert Wilson: "Wir haben begonnen zu fusionieren, zuerst als wir uns in Klöster zu Exerzitien zurückgezogen haben - das passierte zweimal, und dann haben wir liturgische Lieder gesungen - im Film sind das wirklich wir, die singen, wir werden nicht gedoubelt! Und der Gesang hat eine unwahrscheinlich Kraft, Menschen zu vereinen, und so gab es eine ganz starke Fusion zwischen uns Schauspielern. Ich habe so etwas noch nie erlebt, das ganze Team war wie Brüder vereint!"

Ein Trost für alle diejenigen, die den Film bei der Viennale versäumen: "Von Menschen und Göttern" hat bereits einen Österreichischen Verleih.