Wer gewährt "humanitären Aufenthalt"?

Behördenstreit über Zwillinge

Zwei Wochen nach ihrer Abschiebung in den Kosovo konnten die achtjährigen Komani-Zwillinge und ihr Vater nach Wien zurückkehren. Doch die Verantwortung für ihre Zukunft wird jetzt hin- und hergeschoben. Nach dem Behördenstreit über die Abschiebung gibt es jetzt einen Streit zwischen dem ÖVP-geführten Innenministerium und dem Magistrat im SPÖ-regierten Wien.

Morgenjournal, 22.10.2010

Streit um Paragraphen

Die Chef-Juristen im Innenministerium sagen: Der Magistrat Wien könne über den möglichen humanitären Aufenthalt für die Familie Komani völlig alleine entscheiden. Die Leiterin der Einwanderungsbehörde im SPÖ-regierten Wien, Beatrix Hornschall, aber meint: "Sobald wir die Unterlagen haben, ist der Akt am nächsten Tag schon bei der Sicherheitsdirektion Wien." Und wenn sich die Sicherheitsdirektion die zum ÖVP-geführten Innenministerium gehört, gegen die Erteilung eines humanitären Aufenthalts ausspreche, "dann sind solche Anträge zurückzuweisen. Das ist ein ganz eindeutiger Gesetzeswortlaut." Und zwar im Paragraph 44b/1/3 des Aufenthaltsgesetzes, sagt Hornschall. Im Innenministerium hingegen bezieht man sich auf den 44b/1/1. Demnach müsse nicht einmal eine Stellungnahme der Sicherheitsdirektion eingeholt werden.

Zuständig oder nicht?

Wie lange es bis zu einer Entscheidung über die Komanis dauern könnte und wie sie ausfallen wird, will keine der Behörden prognostizieren, wo man sich doch nicht einmal über die Zuständigkeit einig ist. Ein Sprecher von Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) sagt sogar, Fekter habe zwar den negativen Bescheid der Mutter der Zwillinge aufgehoben, aber "alles weitere betrifft uns nicht". Und die Leiterin der Wiener Einwanderungsbehörde sagt über die Verfahrensdauer, man bemühe sich um möglichst rasche Entscheidungen, besonders in humanitären Fällen. "Wir sind aber natürlich auch von der Handlungsweise anderer Behörden, in diesem Fall der Sicherheitsdirektion Wien, abhängig."

"Fekter könnte für Klarheit sorgen"

Die Wiener Rechtsansicht teilt nach wie vor auch der SPÖ-Bürgermeister von Steyr, Gerald Hackl. Und er weist damit die Verantwortung für die Abschiebung der Komanis weit von sich. Im Grunde habe die Sicherheitsdirektion entschieden. Innenministerin Fekter könne aber jederzeit für Klarheit sorgen, indem sie zum Beispiel bei allen Anträgen um humanitäres Bleiberecht die Sicherheitsdirektion als Verfahrensschritt nicht mehr vorschreibe. Dann, so der Bürgermeister, würde der Magistrat Steyr den Komanis ein humanitäres Bleiberecht erteilen - falls sie schon bald wieder in Steyr in die Schule gehen und dort statt in Wien einen Antrag stellen.

Morgenjournal, 22.10.2010

Fackelzug in Steyr

Donnerstagabend sind in Steyr beim Fackelzug für die Komanis laut Polizeischätzung 1.300 Menschen mitmarschiert. Man wollte auch auf die vielen anderen Familien aufmerksam machen, die seit Jahren in Österreich gut integriert sind und kurz vor der Abschiebung stehen. Bei der Abschlusskundgebung haben unter anderem der Schriftsteller Erich Hackl ("Abschied von Sidonie"), der evangelische Superintendent Gerold Lehner und auch der Altbischof Maximilian Aichern gesprochen.