Zwei völlig verschiedene Inszenierungen

"Rusalka" in Wien und München

Antonin Dvoraks Oper "Rusalka" zählt genauso wie Smetanas "Verkaufte Braut" zu den tschechischen Nationalopern schlechthin. Am 23. Oktober 2010 hat das Werk gleich an zwei Opernhäusern Premiere: in München und an der Wiener Volksoper - zwei verschiedene Produktionen, versteht sich.

Während man in München schon im Vorfeld der Premiere der Inszenierung Martin Kusejs die Wogen um geschlachtete Tiere glätten muss, kann man in Wien Märchenhaftes von Renaud Doucet erwarten.

Mittagsjournal, 23.10.2010

Romantisches Märchen

Es ist die Geschichte der todbringenden Liebe des Wassermädchens Rusalka zum Prinzen. Sie findet keinen Platz unter den Menschen, er erkennt seine Liebe zu ihr als es zu spät ist - für beide. Rusalka ist eines der tragisch-romantischsten musikalischen Märchen der Musikliteratur. Mit Wassermann, Hexe, dem berühmten Lied an den Mond.

Das Leadingteam Renaud Doucet und André Barbe hat an der Volksoper schon "Sound of Music" und "Turandot" in Szene gesetzt. Die beiden inszenieren für "Rusalka" ein romantisches Märchen mit Bezug zu heute. Der Wald etwa ist in geradezu malerischer Holzoptik gehalten, doch werden die Elfen und Trolle insofern mit den Menschen konfrontiert, als dass sie über deren Müll stolpern - Müllsäcke werden des Nachts lebendig, die degenerierte Hofgesellschaft besteht aus Damen mit gespannten Fratzen und übergewichtigen Kindern. Dennoch sind Bühnenbild und Kostüme als poetisch zu bezeichnen. In der Titelpartie ist Kristiane Kaiser zu hören, am Pult des Volksopernorchesters steht Henrik Nánási.

Verlies in München

Nicht ganz so romantisch und ganz und gar nicht friedlich geht es in München zu, wo Martin Kusej das Märchen inszeniert, denn die Welt der Nixen, die Welt der Rusalka und ihrer Gespielinnen ist zu Beginn von Martin Kusejs Münchner Inszenierung eine Art Kerker oder Verlies, in dem ein geiler Wassermann seine Gelüste befriedigt. Ein Verlies, das sich am Ende schließlich - den Wassermann hat längst die Polizei geholt - in ein Irrenhaus verwandelt. Der Wassermann, das ist für Kusej kein fürsorglicher Alter, sondern ein übler Zuhälter, und "Rusalka" die Geschichte einer vergeblichen Befreiung.

Doch nicht eine Figur, sondern ein Tier sorgte schon vor der Premiere für fette Schlagzeilen in der Boulevardpresse und einen Aufstand des örtlichen Tierschutzverbandes. Geistert durch Dvoraks Tondichtung ein imaginäres weißes Reh - als Symbol für Unschuld, Reinheit und die unerreichbare Liebe - so wollte Kusej in seiner "Rusalka"-Interpretation ein sehr reales, totes Reh auf der Bühne haben, das zu Beginn des zweiten Akts von einem Jäger aufgebrochen wird - offenbar als Verweis auf die Barbarei der Menschenwelt.

Kein Tierblut auf der Bühne

Rehjagd sei ein wichtiges Motiv in der Oper, rechtfertigte Intendant Bachler den kruden Akt. Öffentliche Proteste und die Weigerung der Sänger und des Chors, mit echtem Tierblut zu arbeiten, sorgten dafür, dass nach der Hauptprobe das echte Reh durch eine Rehattrappe ersetzt wurde. Kusej beklagt den "Eingriff in die künstlerische Freiheit" und lässt offen, ob er weiterhin an der Bayerischen Staatsoper inszenieren will.

Musiziert und gesungen - in tschechischer Originalsprache - wird freilich auch noch: Im Bühnenbild von Martin Zehetgruber gibt die junge Lettin Kristine Opolais die Rusalka, Klaus Florian Vogt den Prinzen, Nadia Krasteva, die Carmen der Wiener Staatsoper, die Fürstin und Günther Groissböck den Wassermann. Zwei Inszenierungen - kein Vergleich.

Service

Antonin Dvorak, "Rusalka", 23. Oktober bis 1. Dezember 2010, Volksoper Wien,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (zehn Prozent).

Volksoper Wien