Romandebüt von Steven Uhly

Mein Leben in Aspik

"Mein Leben in Aspik" stammt vom Deutsch-Inder Steven Uhly. Das Feuilleton der "Zeit" feierte ein "fulminantes Debüt" und bezeichnete es als "gepfefferte Barockliteratur aus der deutschen Gegenwart".

Kulturjournal, 03.11.2010

Quälende Geheimnisse

Ganz harmlos hebt der Roman an, erzählt von einer Oma und ihren kruden Gute-Nacht-Geschichten, die alle die eigene Familie zum Thema haben. Doch schon bald wird man das Gefühl nicht mehr los, dass diese schrecklich nette Familie tatsächliche und sehr quälende Geheimnisse mit sich herumschleppt. Ein Nazi-Großvater geistert da durch die Erinnerungen, daneben werden die Vergangenheit des Vaters als Pornoproduzent und ein inzestuöses Ringelreien angedeutet.

Der Ich-Erzähler, der sich dieser scheinbar unüberwindlichen Mauer aus Lügen und Schweigen gegenübersieht, stolpert blauäugig durch das Geschehen. Die Naivität seines Helden, meint Steven Uhly, sei etwas, das eine lange literarische Tradition hat.

Spezielle Form der Therapie

Tiefer und tiefer stößt der Ich-Erzähler in die Vergangenheit seiner Familie und damit in seine eigene Lebenswirklichkeit vor. Fast hat man das Gefühl einer psychoanalytischen Suchbewegung beizuwohnen. Sein Roman hätte zwar mit einer Form der Therapie zu tun, meint Steven Uhly, die Psychoanalyse sei es jedoch nicht.

"Mein Leben in Aspik" spielt überwiegend im noch geteilten Berlin der 1980er Jahre. Einerseits, weil das für den 1964 geborenen Uhly eine wichtige Lebensphase war, andererseits, weil dieses Jahrzehnt eine Atmosphäre hatte, die gut zur Stimmung in seinem Roman passte.

Mitten im Strudel des Lebens

Sind wir imstande, uns von unserer Familiengeschichte zu befreien, oder sind wir, wie es an einer Stelle im Buch sinngemäß heißt, nur "Gefäße für die Vergangenheit"? Es sind hochkomplexe Fragen wie diese, die dem Roman zu Grunde liegen. Dennoch schafft es der ehemalige Literaturwissenschaftler Steven Uhly, seine Sprache einfach zu halten. Der Leser bekommt hier nicht das Leben erklärt, sondern wird mitgerissen mitten hinein in den Strudel des Lebens.

Diese Unmittelbarkeit der Sprache, die dazu führt, dass man als Leser nicht von außen auf das Geschehen blickt, sondern es von innen erlebt, hängt wohl mit dem sehr speziellen Schreibprozess Steven Uhlys zusammen. Der erinnert an das automatische Schreiben, wie es von den Surrealisten oder den amerikanischen Beat-Poeten betrieben wurden. Bevor sich Uhly jeden Morgen an die Arbeit machte, meditierte er nämlich eine Stunde lang.

Ausnahmefall Uhly

In Steven Uhlys Roman ist nichts Berechnung. "Mein Leben in Aspik" schielt weder auf ein Publikum noch auf literarische Modetrends. Von der Pop-Literatur ist er damit ebenso weit entfernt wie von der melancholischen Befindlichkeitsprosa vieler vermeintlicher Jungtalente. Stattdessen schreibt sich da ein Autor ohne Rücksicht auf Verluste eine Figur vom eigenen Leib und es ist diese Bedingungslosigkeit, die Uhlys Debüt zu einem Ausnahmefall in der Gegenwartsliteratur macht.

Service

Steven Uhly, "Mein Leben in Aspik", Secession-Verlag

Secession-Verlag - Mein Leben in Aspik