Schwedische Regierung verlängert Mandat

Das umstrittene Afghanistan-Engagement

Für die 500 schwedischen Soldaten der ISAF-Truppe wird der Afghanistans-Einsatz an der Seite der deutschen Bundeswehr immer schwieriger, bereits fünf Soldaten sind getötet worden. Und so wächst auch in Schweden der Unmut an einem Einsatz, dessen Ziele kaum mehr erkennbar sind.

Gleichwohl konnte die bürgerliche Minderheitsregierung am Montag, 11. November 2010 einen Triumph verkünden: Sozialdemokraten und Grüne sagten nach tagelangen Verhandlungen ihre Zustimmung zur anstehenden Mandatsverlängerung zu. Parteitaktische Manöver seien bei einer für die Soldaten so wichtigen Entscheidung über Krieg und Frieden nicht angemessen: Mit diesen Worten begründete Oppositionsführerin Mona Sahlin den patriotischen Schulterschluss mit der Regierung.

Das Militär zeigt sich erfreut über die Befriedung der Heimatfront. Die Linkspartei jedoch geißelt die Kehrtwende ihrer früheren Bündnispartner als Betrug am Volk. Schließlich war die rot-grüne Allianz mit dem erklärten Versprechen in den Wahlkampf gezogen, die Truppe so bald wie möglich nach Hause zu holen.

Abzug gefährdet Missionserfolg

Immer häufiger nehmen die Taliban schwedische Soldaten ins Visier. Immer lauter werden Stimmen, die einen raschen Abzug der Soldaten fordern. Ihr Mandat läuft Ende des Jahres aus. Im Stockholmer Parlament appellierte Oberbefehlshaber Sverker Göransson an die Fürsorgepflicht der Politiker. Ein überhasteter Termin für den Rückzug würde den Erfolg der Mission in Frage stellen.

"Mit Blick auf die veränderte Sicherheitslage und den geringen Ausbildungsstand der afghanischen Sicherheitskräfte verbietet sich das", erklärt Göransson. "Bei der Ausbildung von Polizei und Militär hat unser Kontingent bereits die Grenze der Belastbarkeit erreicht."

Zwar hatte sich Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt grundsätzlich gegen einen konkreten Termin für den Truppenabzug ausgesprochen und sogar eine Aufstockung von Personal und Material in Aussicht gestellt. Doch seine bürgerliche Koalition regiert ohne eigene Mehrheit. In immer neuen Gesprächsrunden musste Reinfeldt daher um die Zustimmung der rot-grünen Opposition werben.

Zivile statt militärische Maßnahmen

Dabei waren Sozialdemokraten, Grüne und Linkspartei mit dem Versprechen in den Wahlkampf gezogen, den Abzug der Truppe bereits im nächsten Jahr einzuleiten. Die blockübergreifende Einigung darf Reinfeldt als Triumph verbuchen. Der Abzug der Truppe ist vom Tisch.

In Übereinstimmung mit den NATO-Partnern will man bis 2014 die Verantwortung schrittweise an die Afghanen übertragen. Zugleich würden die Gelder für den zivilen Wiederaufbau massiv aufgestockt, betont Grünen-Chef Peter Ericsson.

"Ich bin sehr zufrieden", sagt Ericsson. "Unsere neue Strategie besagt, dass wir anstelle von Kampfverbänden die afghanischen Behörden unterstützen, damit sie künftig selbst die Sicherheit im Lande gewährleisten können. Wir sind uns auch einig, dass wir künftig mehr zum Aufbau des Gesundheitswesens, zur Verbesserung der Infrastruktur und zur Bekämpfung der Korruption beitragen werden."

Weiterhin solidarisch?

Auch Mona Sahlin sieht keinen Grund zur Zerknirschung. Immerhin waren es ihre Sozialdemokraten, die 2002 ihre "uneingeschränkte Solidarität" mit der Vereinigten Staaten bekundeten und die ersten Soldaten an den Hindukusch entsandten. Für parteitaktische Manöver sieht die Oppositionsführerin keinen Raum.

"Wenn wir Frauen und Männer aussenden, ihr Leben bei internationalen Einsätzen zu riskieren, dann ist es von größter Bedeutung, dass wir eine breite politische Unterstützung dieser Mission haben", erklärt Sahlin. "So haben wir es immer gehalten. Und auch jetzt sind wir uns unserer gemeinsamen Verantwortung bewusst."

Mit ihrem Kurswechsel dürften Sozialdemokraten und Grüne das Ende der rot-grünen Zweck-Allianz mit der Linkspartei besiegelt haben. Linke-Chef Lars Ohly warf den einstigen Partnern Verrat an gemeinsamen Werten vor:

"Wir fordern den Abzug der Soldaten. Wir sind längst Teil eines Feldzuges der USA, der völkerrechtlich keine Grundlage hat. Die ausländischen Truppen stützen ein korruptes Regime. Die Radikalen werden immer stärker. Es gibt keine erfolgreiche Strategie für einen militärischen Sieg in Afghanistan. Wir Schweden scheinen etwas länger zu brauchen, um das einzusehen."

Die Einigung sei kein Strategiewechsel sondern die Anbiederung an eine Regierung, die nicht gewollt und nicht in der Lage sei, den Einsatz zu beenden. Seine Partei, kündigte Ohly vollmundig an, werde das Volk zum Widerstand gegen den ungeliebten Krieg mobilisieren.

"Taliban kann abwarten"

Auch beim Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI gibt es Kritik am Afghanistan-Feldzug. Ein Ende des Einsatzes sei derzeit nicht abzusehen, sagt SIPRI-Analyst Tim Foxley: "Wenn man sich die Kämpfe ansieht, muss die Frage erlaubt sein, was in bald zehn Jahren überhaupt erreicht wurde. Mehr und mehr Soldaten werden entsannt, die Strategien wechseln alle zwölf Monate."

"Viele Truppensteller sind mit der Komplexität der Operation völlig überfordert", so Foxley weiter, "Einige Länder haben bereits einseitig ihren Rückzug verkündet. In dieser Lage brauchen die Taliban nur abzuwarten."

Versteckte Ziele

Den Politikern gehe es nicht vornehmlich darum, Frieden, Stabilität und die Rechte der Frauen zu stärken, sagen auch Experten der Militärhochschule Schwedens hinter vorgehaltener Hand. Das sei zwar ein ehrenhaftes Ansinnen, das sich in der Öffentlichkeit gut verkaufen lässt. Doch eigentlich geht es um mehr als das, so Gunnar Aselius, Leiter der militärhistorischen Abteilung der Hochschule:

"Für Schweden ist es wichtig, sich mit der Anwesenheit vor Ort Einfluss in der Welt zu verschaffen, sich als verlässlicher Partner zu zeigen. Durch den Beitrag in diesem Zusammenhang erhofft man sich von den Großmächten einflussreicher Länder Hilfe in anderem Zusammenhang oder Zutritt zu Konferenzen zu bekommen, auf denen Schweden sonst keine Rolle spielen würde."