Sturm auf Zeltlager

Westsahara: Tote bei Angriff

Die Lage in der von Marokko besetzten Westsahara spitzt sich zu. Am Montag stürmten marokkanische Sicherheitskräfte ein Zeltlager vor der Westsahara-Hauptstadt El Aaiún. Dabei soll es mehrere Tote und Verletzte gegeben haben.

Abendjournal, 09.11.2010

Protestlager niedergerissen

Marokkanische Sicherheitskräfte haben am Montag kurz vor dem geplanten Beginn einer neuen Westsahara-Gesprächsrunde unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen in den USA eine Protest-Zeltstadt in dem besetzten Territorium niedergerissen. Die rund 20.000 Bewohner des Zeltlagers in der spanischen Ex-Kolonie flüchteten zu Fuß in die 15 Kilometer entfernte Hauptstadt Laayoune (El-Aiún). Die Sicherheitskräfte setzten bei der Aktion nach spanischen Medienberichten Hubschrauber, Wasserwerfer, Gummigeschoße und Tränengas ein. Nach marokkanischen Angaben wurden zwei Personen getötet und über 70 weitere verletzt.

Gespräche begonnen

Ungeachtet der blutigen Zusammenstöße haben die Westsahara-Gespräche planmäßig begonnen. An dem in Greentree (Long Island) bei New York stattfindenden Treffen von Bevollmächtigten Marokkos und der von der Polisario-Befreiungsfront gestellten Exilregierung der Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS) nehmen auch Vertreter Algeriens und Mauretaniens teil. In einem UNO-Kommuniqué wurde Bedauern darüber ausgedrückt, dass die Gesprächsatmosphäre durch die marokkanische Operation schwer gestört sei. Der Polisario-Vertreter Ahmed Boujari warf Marokko vor, mit seinem Vorgehen die Gespräche ganz gezielt torpedieren zu wollen.

Große Protestbewegung

Der Konflikt um die spanische Ex-Kolonie war fast schon in Vergessenheit geraten. Nun haben blutige Unruhen in der Hauptstadt El-Aiún (Laayoune) den seit Jahrzehnten währenden Zwist wieder in Erinnerung gerufen. Zuerst waren es nur ein paar Zelte gewesen, die Bewohner der Westsahara in einem Wüstengelände vor den Toren El-Aiúns aufgeschlagen hatten. Innerhalb von zwei Wochen wurde daraus eine ganze Stadt mit über 7000 Zelten und 20.000 Menschen. Sie beherbergte die größte spontane Protestbewegung in der spanischen Ex-Kolonie, seit Marokko das Gebiet vor 35 Jahren besetzt und annektiert hatte. Mit der Errichtung der Zelte wollten die Bewohner ihren Forderungen nach Arbeitsplätzen, Wohnungen und sozialen Hilfseinrichtungen Nachdruck verleihen.

UNO-Friedensmission

In dem phosphatreichen Wüstengebiet südlich von Marokko betreiben die Vereinten Nationen eine ihrer ältesten Friedensmissionen. Seit 1991 überwachen sie die Einhaltung eines Waffenstillstands, den Marokko mit der Polisario geschlossen hatte. Einer Lösung des Konflikts ist man in dieser Zeit jedoch nicht näher gekommen. Es herrscht weder Krieg noch Frieden. Marokko betrachtet die Westsahara als Teil seines Staatsgebiets. "Wir geben keine Handbreit unseres Territoriums her", sagte König Mohammed VI. Die Polisario mit der Exilregierung der von ihr ausgerufenen Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS) reklamieren - mit Unterstützung Algeriens - die Unabhängigkeit. Die Chancen, in New York auf dem Verhandlungsweg zu einer Lösung zu kommen, stehen äußerst schlecht.