Zwischen Kultstatus und Strafverfolgung

Street Art bei der Vienna Art Week

Am 16. November 2010 wird die "Vienna Art Week" offiziell eröffnet, doch das dichte Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm beginnt schon am Vortag. Zu diesem Festival bildender Kunst reisen internationale Künstler, Sammler und Kuratoren an. Ein Themenschwerpunkt gilt der Street Art.

Street Art ist Graffiti-Kultur und noch vieles mehr, bis hin zu Installationen und Performance. Die meist unbestellte Kunst im Stadtraum hat enorm zugelegt an Formenreichtum, und an Anerkennung gewonnen - auch in Österreich und besonders in Wien. Am 15. November gibt es im Rahmen der Vienna Art Week einen Vortrag und eine Stadtführung zum Thema Street Art.

Kultur aktuell, 15.11.2010

Klassische Graffiti - die farbigen Schriftbänder - und andere unbestellte Wandbemalungen werden immer noch massenweise weggetüncht; das kostet, weltweit gerechnet, gigantische Summen. Immer noch hagelt es Strafen gegen Street Artists - das ist die eine Seite. Die andere ist der Hype der letzten Jahre. Es gibt Street-Art-Festivals, spezialisierte Galerien, auch schon öffentliche Aufträge. Kunstbuchhandlungen stellen ganze Thementische mit Bildbänden auf.

Einzelne Figuren dieser subversiven Bildkultur sind auf dem Weg, Kunstikonen zu werden. Allen voran Banksy, dessen Schablonenbilder bei Auktionen bis zu ein paar 100.000 Euro einbringen. Doch das schützt den Londoner Künstler nicht vor Strafverfolgung.

Diese Erfahrung machte auch Banksys US-Kollege Shepard Fairey, der mit einem selbst entworfenen Poster für Barack Obama berühmt wurde. "Vor einem Jahr war er in Boston und hatte dort eine große Museumsretrospektive. Eine Woche davor hatte er in Boston drei, vier Poster irgendwo aufgeklebt. Bei der Vernissage wurde er verhaftet", erzählt Nicholas Platzer - er betreibt die Inoperable Galerie, die erste Wiener Galerie für Street Art. Viele Street-Art-Künstler haben zugleich Ateliers, arbeiten auch auf Leinwand oder Papier. Aber der Trend hinein in die Galerien und Museen kehrt sich schon wieder um.

Trend zum Riesen-Mural

"Die bekanntesten Leute wollen wieder auf der Straße präsent sein. Und sie wollen alle riesengroße Wände machen. Das ist jetzt der neue Trend. So groß wie möglich". Der Italiener Blu hat in Wien ganz offiziell, als Auftragsarbeit, einen riesigen Kornspeicher im Alberner Hafen mit einer Figur bemalt.

Im Museumsquartier gibt es eine Street-Art-Passage. Und die Stadt Wien hat, wie viele andere Metropolen, einzelne Mauern für legales Sprayen freigegeben. Aber die Protagonisten der Szene suchen ihre Flächen noch immer am liebsten selbst aus.

Momos Geldmaschine hinter dem MAK

Der Wiener Künstler Momo hat eines seiner Bilder an der Mauer des Wienflussbettes angebracht, direkt hinter dem Museum für Angewandte Kunst. Es ist ein mehrere Meter hohes Männchen mit einem gedrungenen Korpus wie eine Kartoffel. Das Männchen betätigt eine Art Waschmaschine, die Euroscheine ausspuckt.

So manches Kunstwerk an Galeriewänden kann erblassen vor den Arbeiten von Momo. Das riesige Bild wurde ohne Genehmigung platziert - wie er das geschafft hat, verrät er natürlich nicht: "Ich mach' mein Ding dorthin, und nachher steht's, solange es steht. Ich sehe das sehr realistisch: Wenn ich draußen im öffentlichen Raum arbeite, verschwinden die Sachen, und sie kommen wieder - das ist halt das Schöne dabei. Die ganze Stadt lebt halt immer so dahin."

Die Straße - Freiraum außerhalb des Kunstbetriebs

Momo schließt gerade ein Wirtschaftsstudium ab. Ein anderer Street Artist ist im Zivilberuf Anwalt. Manche arbeiten als Grafikdesigner oder in der Werbung.

Der Künstler Clemens Wolf malt Ölbilder auf Leinwand. Aber die Szenarien auf den Bildern verweisen auf die Street Art, aus der er ursprünglich kommt. "Es ist halt nicht der Kunstmarkt, wo es sehr schwierig ist, seinen Platz zu finden. Sondern es ist ein relativ freier Raum des Künstler-Seins, wo man einfach selbst entscheidet, wann und wo und wie."

Dass es einen großen Fälschungsmarkt gibt, ist Teil des Spiels. Ebenso, dass oft andere das Geschäft mit dem Werk machen als der Künstler selbst. Auch in Wien wurden schon Wandteile mit Bildern von Banksy sorgfältig abgetragen und tauchten dann im Kunsthandel auf.

"Es gibt Tausende von Webseiten, hinter denen Leute sitzen und verkaufen, was sie von den Straßen fladern", weiß Nicholas Platzer. Doch da sie Sachen auch illegal angebracht wurden, ist es nicht ganz einfach, seine Rechte einzufordern.