Porträt Marc Minkowski

Der Spezialist für vieles

Als "Spezialist für Barock" hat sich Dirigent Marc Minkowski auch mit französischer Operette, Musik der Romantik, der Gegenwart und zuletzt mit französischer Oper einen Namen gemacht. Der "Spezialist für vieles" leitet zurzeit Georg Friedrich Händels Oper "Alcina" an der Wiener Staatsoper.

Kulturjournal, 15.11.2010

Simon Rattle, Claudio Abbado und Riccardo Chilly haben ihre Liebe zur Barockmusik entdeckt und wenden sich ihr vermehrt zu. Marc Minkowski geht den umgekehrten Weg. Zunächst studierte er Fagott, spielte unter anderem beim Clemencic Consort, wo er übrigens in jeder freien Minute in den Vorstellungen der Wiener Staatsoper zu finden war. 1982 gründete er Les Musiciens du Louvre, mit denen er auch jetzt an der Wiener Staatsoper gastiert.

Den Komponisten lieben

Zunächst profilierte sich das Ensemble auf dem Gebiet des französischen Barockrepertoires, heute geht sein Repertoire weit darüber hinaus und reicht bis zu zeitgenössischer Musik. Diese Bandbreite ist es auch, die ihn in Sachen Stil vorsichtig und ganz und gar nicht dogmatisch werden lässt. Den Komponisten zu lieben, sei das Wichtigste, ihm zu glauben, ein bisschen über dessen geschichtlichen Hintergrund zu wissen und sonst dem eigenen Instinkt zu vertrauen sei das Geheimnis.

Der Zugang scheint zu funktionieren - zumindest bei ihm. Marc Minkowski gastiert mit oder ohne seinem Ensemble oder mit seinem zweiten Orchester, der Sinfonia Varsovia in aller Welt. Mozart an der Pariser Oper, "Manon" in Monte Carlo, "Fidelio" in Zürich.

"Die Menschen drücken einem gerne Stempel auf", meint Minkowski, "das war immer so, ist aber in den letzten Jahren durch die Neugierde der Künstler, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, besser geworden. Ich zum Beispiel mache im Moment immer mehr französische Oper. Ich entdecke immer mehr meine Muttersprache. Ich weiß, ich bin eine wilde Mischung aus Amerikaner, Wiener, Franzose, Pole, aber ich fühle mich als Franzose. Jetzt gelte ich als Spezialist der französischen Oper. Vor einigen Jahren habe ich Offenbach für mich entdeckt und schon war ich der Operettenspezialist. Heute habe ich das Gefühl, dass die Leute flexibler sind und einem auch mehr vertrauen als noch vor einigen Jahren."

Renaissance der Alten Instrumente

Marc Minkowski war ganz stark an der sogenannten Originalklangbewegung beteiligt. Dass er nun mit seinem Orchester auch an der Wiener Staatsoper zu Gast ist, erfüllt ihn mit Freude, denn Minkowski erinnert sich noch an die Zeiten, da es noch großer Überzeugungskraft bedurft hat, mit "alten" Instrumenten musizieren zu dürfen:

"Vielleicht war der Klang der Alten Instrumente nicht gerade berückend. Es war eben der Anfang eines Versuches, mit alten Instrumenten zu arbeiten. Was heute so schön ist, dass das Niveau der Musiker sehr hoch geworden ist. Sie klingen nicht mehr wie zweitklassige moderne Musiker, die eben auf alten Instrumenten spielen. Nein, heute sind sie genauso virtuos wie die sogenannten Modernen. Das kann ich heute wirklich fühlen."

Teamarbeit mit Patriarchen

"In zwei Jahren feiern wir 30. Geburtstag", so Minkowski. "Das ist für ein freies Orchester schon erstaunlich. Seit fünf Jahren sind die Musiker so ziemlich die Gleichen geblieben. Ich bin an sich ein treuer Mensch, aber die Leute sind entweder woanders hingegangen, haben sich zurückgezogen oder das gewünschte Niveau nicht erreicht. Aber seit fünf Jahren hat sich eine Art von Stabilität eingestellt. Es sind junge Musiker, die die Oper ebenso wie den Dialog mit Sängern lieben. Die Atmosphäre ist wirklich magisch."

Als Teamarbeit mit einem Patriarchen an der Spitze, bezeichnet Minkowski ihre gemeinsame Arbeit. Eine Gratwanderung zwischen Freundschaft und Disziplin, Nähe und natürlicher Distanz. Er liebt den Vergleich mit einem Sporttrainer - einem Coach, dem nichts entgeht, der kontoliieren, pushen und manchmal den einen oder anderen austauschen muss. Sport und Kunst sind einander näher als man denkt.

Marc Minkowski und Les Musiciens du Louvre sind zurzeit nicht nur an der Wiener Staatsoper zu erleben: Am 22. November 2010 geben sie auch ein Konzert im Wiener Konzerthaus. Marc Minkowski kehrt übrigens kurzfristig zu seinen Wurzeln zurück und wird im Rahmen des Konzerts Fagott spielen.