Verdeckte Ermittlerin sorgt für Aufregung

Expertenkritik am Tierschützerprozess

Der Prozess gegen 13 Tierschützer am Landesgericht Wiener Neustadt hat in den vergangenen Tagen einmal mehr für Aufregung gesorgt. Den 13 Tierschützern wird die Bildung einer kriminellen Organisation vorgeworfen. Stimmen werden jetzt wird immer lauter, die an der Vorgangsweise der Verhandlung Kritik üben.

Für Aufsehen sorgte vor allem, dass erst in den letzten Wochen, nach monatelanger Verhandlung der Causa, bekannt geworden ist, dass eine verdeckte Polizeiermittlerin mehr als ein Jahr lang getarnt als Tierschützerin unter den Aktivisten ermittelt hatte. Trotzdem hatte die Frau keine strafbaren Handlungen bemerkt. Ein Umstand, der weder im Polizei- noch im Gerichtsakt erwähnt wurde. Experten halten das für eine äußerst bedenkliche Vorgangsweise.

Mittagsjournal, 18.12.2010

Verdeckte Ermittlung anfangs nicht aktenkundig

Erst der Einsatz eines Privatdetektives durch die Beschuldigten brachte die verdeckten Ermittlungen ans Licht. Und erst nachdem der monatelange Einsatz einer Polizistin bekannt geworden war, wurden die Ermittlungsergebnisse an Gericht und Beschuldigte im Tierschützer-Prozess weitergegeben. Was den Anschein erweckt, die Ermittlung für Polizei-Soko oder Staatsanwaltschaft hätten nicht das gewünschte Ergebnis gebracht. Denn wie die verdeckte Polizeiermittlerin auch im Zeugenstand bestätigt hat, konnte sie keinerlei strafbare Handlungen bei den Tierschützern entdecken.

Für den Verfassungsrechtsexperten Heinz Mayer ist das eine unhaltbare Vorgangsweise. Ermittlungsschritte seien in den Akt zu nehmen. Wenn nicht, könnte das eine Unterdrückung von Beweismitteln bedeuten.

Möglicherweise verfassungswidrig

Die Erkenntnisse der verdeckten Ermittlerin sind essenziell für das Verfahren, meint auch Amnesty-International-Generalsekretär Heinz Patzelt. Wenn es nicht im Gerichtsakt ist, verletze es das Menschenrechtsprinzip auf ein faires Verfahren.

Diese Sicht teilt auch Verfassungsrechtler Mayer. Auch entlastende Erkenntnisse der Ermittler müssen transparent gemacht werden, damit sich die Beschuldigten gegebenenfalls darauf stützen können, sagt Mayer. Es sei eine schwere Unfairness des Verfahrens und daher verfassungswidrig, wenn es so war.

Aufklärung nötig

Sowohl der Menschenrechts- als auch der Verfassungsrechtsexperte vertreten die Meinung, dass aufgeklärt werden muss, warum die Berichte der Polizeiermittlerin verschwiegen wurden. Mayer fragt, wer das verursacht habe und entschieden habe, dass es nicht in die Akte genommen worden sei. Und Patzelt meint, solche problematischen Vorgänge dürften nicht wieder passieren.

Justizministerium evaluiert

Im Innenministerium plant man jedenfalls den Einsatz der verdeckten Ermittlerin nach Weihnachten zu evaluieren - wie bei jedem derartigen Einsatz, sagt Sprecher Rudolf Golia. Auch im Justizministerium hat man unterdessen einen Bericht der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt angefordert, sagt der zuständige Sektionschef Christian Pilnacek. Man beobachte das Verfahren und sehe auch die Kritik. Jetzt müsse man sich ein objektives Bild bilden.

Im Bericht solle die Staatsanwaltschaft darlegen, inwieweit der Standpunkt der Anklage, nämlich dass die Tierschützer eine kriminelle Organisation gebildet haben, durch die bisherige Beweisführung unterstützt oder widerlegt worden sei, sagt Pilnacek. Dass das Justizministerium per Weisung die Staatsanwaltschaft dazu auffordern könnte, das Verfahren einzustellen, zieht Pilnacek derzeit nicht in Betracht. Erst müsse das unabhängige Gericht sprechen.

Fortsetzung Ende Jänner

Derzeit ist aber noch länger kein Ende des Tierschützerprozesses in Sicht. Nach mittlerweile 63 Prozesstagen gibt es vorerst einmal eine Prozesspause bis Ende Jänner. Dann soll auch die Polizeiagentin neuerlich als Zeugin befragt werden.