Widerwillen und Aufatmen

Der blaue Dunst und die Töne

Einst galt Rauchen als weltmännisch. Sänger wie Dean Martin und Frank Sinatra zeigten sich lässig mit einer Zigarette im Mundwinkel und Marlene Dietrich machte das Rauchen zu einem reizvollen, mysteriösen Wesen. Zigarettenmarken wurden im Fernsehen und Radio beworben, das Rauchen war in Restaurants und sogar im Spital erlaubt.

In dieser "goldenen Ära" für Zigarettenliebhaber, also in den 40-er und 50-er Jahren des letzten Jahrhunderts, entstanden im Amerika Jahre einige Musiktitel, in der die Zigarette als Requisit bestimmter Lebenssituationen eine Rolle spielt.

Spott und Sozialkritik

Bestes Beispiel für die lässige Haltung gegenüber dem Zigarettenkonsum ist der Song "Smoke that cigarette", gesungen von Tex Williams.

In dem Text vereint der Autor der Zeilen, Merle Travis, sowohl Spott als auch Sozialkritik. Er beschreibt mit einem Augenzwinkern die Angewohnheit der Raucher, mit dem Genuss des Glimmstengels das Erledigen anstehender Arbeit hinauszuzögern. Und im Refrain heißt es dann: "Rauch deine Zigarette - und wenn du dich zu Tode geraucht hast, dann sag dem Heiligen Petrus vor dem Goldenen Himmelstor, dass es dir leid tue, ihn warten zu lassen, aber du müsstest noch rasch eine Zigarette rauchen." 1947 stand der Song auf Platz 1 in den amerikanischen Charts - und das sowohl im Country- als auch im Pop-Bereich.

Verflossene Lieben

In Songs aus den verschiedensten Musikrichtungen - sei es Rock, Pop, Jazz, Country-Musik oder R&B - wird das Rauchen thematisiert. In manchen Liedern wird die Abhängigkeit beschrieben, andere verbinden mit dem Zug an der Zigarette die Erinnerung an verflossene Lieben. Man denke nur an "Don't smoke in bed" von Nina Simone oder "Three cigarettes in an ashtray, interpretiert von Patsy Cline.

Heesters und sein "Zigaretterl"

Die wohl eindeutigste Verherrlichung des blauen Dunst ist das Lied "Da zünd ich mir ein kleines Zigaretterl an", interpretiert von Operettenstar Johannes Heesters. Das Rauchen wird darin als probates Mittel beschrieben, um seelisches Unglück besser ertragen zu können. "Was tät' das arme Herz, wenn es nicht hätte... das süße Gift, ein kleines bisserl Nikotin."

Bis vor kurzem gehörte das Lied zum Standardrepertoire des 107-Jährigen. Heute verzichtet der ehemalige Frauenliebling darauf, das Lied bei Auftritten zu singen, weil man, wie er kürzlich in einem Zeitungsinterview zu seinem Geburtstag sagte, "in der heutigen Zeit fürs Rauchen keine Reklame machen sollte".

Mit Musik gegen Gesundheitsapostel

Wenn Künstler heute das Rauchen in ihrer Musik zum Thema machen, hat das einen speziellen Hintergrund: In den USA für Aufsehen gesorgt hat das Album "Drag" der kanadischen Singer-Songwriterin K.D. Lang. Mit diesem Konzeptalbum, dass 1997 erschienen ist, wendet sich Lang gegen die zahlreichen Gesundheitsapostel in den USA, die sich strikt gegen das Rauchen aussprechen und restriktive Gesetze fordern - einige Radiosender boykottierten die Künstlerin nach der Veröffentlichung des Albums. Auf der CD sind Neuinterpretationen alter Songs zu finden, die sich mit dem blauen Dunst auseinandersetzen - so etwa "My last cigarette", oder "Love is like a cigarette".

K.D. Lang, selbst Nichtraucherin, tritt mit diesem Album gegen die Fremdbestimmung des eigenen Lebens auf. Das Rauchen dient der Sängerin dabei als Metapher, denn seit 1988 lebt K.D. Lang offen als Lesbe. Die Künstlerin sieht die Entscheidung für das Rauchen und für eine gleichgeschlechtliche Partnerin als persönliches Recht des Menschen an.

Lustfeindliche Haltung?

Heute hat sich die Einstellung in Bezug auf das Rauchen grundlegend geändert: Raucher werden bei einem Restaurantbesuch zum Rauchen vor die Tür gebeten, und es vergeht kaum ein Tag, an dem sich Gastronomen, Vertreter der Nichtraucherlobby oder gegen die neuen EU-Richtlinien protestierende Trafikanten in den Medien zu Wort melden.

Auch Musiker reagieren auf die Nichtrauchergesetze und ihre Auswirkungen: Musiker wie die junge Berliner Band "Die feinen Herrschaften" drücken ihren Unmut gegen die ihrer Meinung nach immer mehr lustfeindliche Haltung in der Gesellschaft auf. Ihr Song "Coffee&Cigarettes" ist ein satirischer Protest gegen die Rauchverbote.

Konzerte ohne Rauchschwaden

Die gesamte Musikbranche verändert sich durch den Trend: Rock-Musiker wie Eric Burdon oder Alice Cooper verbieten Mitarbeitern im Backstage-Bereich ihrem Laster nachzugehen, in Jazzclubs wird nicht mehr gequalmt und große Rockkonzerte finden ohne rauchgeschwängerte Luft statt. Und was sagen die Musikkonsumenten? Sie stellen sich um - die einen mit Widerwillen, die anderen atmen auf.