Im Zeit-Raum: "Sexuelle Gewalt gegen Frauen"
Zu Gast bei Johannes Kaup war diesmal Monika Hauser, Ärztin und Gründerin von "medica mondiale".
21. August 2018, 21:46
Anfang der Neunzigerjahre - zur Zeit des Balkankriegs - erfuhr die Kölner Frauenärztin Monika Hauser von den massiven Menschenrechtsverletzungen, Vergewaltigungen und Erniedrigungen, die Frauen zu erleiden hatten. In Bosnien waren zehntausende Frauen - wie so oft in Kriegen - zu Freiwild geworden. Sexuelle Gewalt ist eine Kriegswaffe, die oft und systematisch in fast allen Konfliktregionen der Erde eingesetzt wird. Mit der Vergewaltigung der Mädchen und Frauen wird zugleich die Bevölkerung terrorisiert und gedemütigt.
Die Folgen sind immens. Neben irreparablen körperlichen Verletzungen leiden die Frauen unter jahrelangen Traumasymptomen, die sich chronifizieren, unter Panikattacken und Selbstmordgedanken - das Schlimmste ist für sie die soziale Ausgrenzung, der Ausschluss aus der sozialen Gemeinschaft. Gegen dieses massive Unrecht und das große Leid wollte Monika Hauser ein Zeichen setzen. Sie war wütend auf die träge internationale Hilfsmaschinerie und die Politik, die sich dieses Problems nicht annahm.
Damals wusste sie noch nicht, dass ihr Engagement ihr eigenes Leben und das tausender Frauen so verändern würde. Ohne organisatorischen und finanziellen Rückhalt legte sie der Kommune von Zenica in Zentralbosnien das Konzept für ein Projekt zur gynäkologischen und psychologischen Betreuung extrem traumatisierter Frauen vor, mietete ein Gebäude an und stellte Personal ein. Monika Hausers Rechnung ging auf. Die Betroffenheit in Deutschland war groß, Spendengelder flossen reichlich. Bereits Anfang April 1993 wurde Medica Zenica eröffnet - gerade rechtzeitig, bevor der "Krieg im Krieg" mit bosnischen Kroaten begann.
Während der einjährigen Blockade durch bosnische Serben auf der einen und bosnische Kroaten auf der anderen Seite entwickelte sich das multiethnische Frauenprojekt zu einem Hilfsunternehmen weit über den ursprünglichen Anspruch hinaus. Unter dem Druck des Krieges vollbrachten die Mitarbeiterinnen Taten, auf die sie niemand vorbereitet hatte. Heute arbeiten über 70 Bosnierinnen in Medica Zenica. In der Folge gründete Monika Hauser medica mondiale, eine internationale NGO mit Sitz in Köln, die traumatisierte Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisengebieten unterstützt.
Nach und nach weitete sich der Wirkungsbereich von Monika Hausers Arbeit aus...zuerst auf den Kosovo, später auf Afghanistan, den Irak und viele andere Länder Asiens, Afrikas und des Nahen Ostens. 2008 wurde Monika Hausers Arbeit mit dem Alternativen Nobelpreis gewürdigt. Heute engagiert sich medica mondiale gegen alle Formen sexueller Gewalt gegen Frauen und Mädchen in Kriegszeiten, die Verfolgung der Täter und die Unterstützung und Heilung der Opfer. Zudem macht die Organisation das tabuisierte Thema sexueller Gewalt immer wieder öffentlich. An die 100.000 Frauen konnte mit der Arbeit von medica mondiale bislang geholfen werden.
Die Arbeit von medica mondiale umfasst nicht nur akute medizinische Hilfe und psychosoziale Betreuung, sondern auch Rechtshilfe, Bildungsangebote und Jobkurse. Es geht darum, die Stigmatisierung von Frauen, die Opfer sexueller Gewalt wurden, zu überwinden und ihnen zu helfen, in der Gesellschaft wieder einen eigenständigen Platz einzunehmen.
Eines der Vorzeigeprojekte ist ein landwirtschaftliches Projekt für Frauen im Kosovo. Angeschlossen an die psychosoziale Unterstützung der Frauen, die in der Mehrzahl Witwen sind, hat medica mondiale ihnen Ziegen, Kühe und Bienenstöcke zur Verfügung gestellt. Mit dem erwirtschafteten Geld können sie ihre Kinder zur Schule schicken und sind von Opfern zu Überlebenden und Gestalterinnen ihrer eigenen Lebensperspektive mit Würde geworden. Sie sind mittlerweile zu einem Hoffnungszeichen für die ökonomisch schwach entwickelte Region geworden. Durch ihr mutiges Auftreten in der Öffentlichkeit sind diese Frauen ein maßgeblicher Faktor für die Demokratisierung des Kosovo.
Monika Hauser ist stolz darauf. Aber zufrieden ist sie mit der Situation der Frauen insgesamt noch lange nicht. Denn sexuelle Gewalt, Unterdrückung und Benachteiligung von Frauen findet sich nicht nur in Kriegs- und Krisengebieten. Sie ist Ausdruck von patriarchalen Strukturen, die sich auch in Friedensgesellschaften wie Deutschland und Österreich finden. Hier gilt es für die engagierte Ärztin noch intensive Bewusstseinsarbeit zu leisten.
Text: Johannes Kaup
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Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Wiener Zeitung und mit TW1, unterstützt von der Essl Foundation.
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Im Zeit-Raum: "Sexuelle Gewalt gegen Frauen"
Mittwoch, 19. Jänner 2011
18:30 Uhr
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