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Ungarn: Totale Kontrolle der Medien

In der Nacht hat das ungarische Parlament ein neues Mediengesetz verabschiedet, dass nach internationalen Standards Zensur gleichkommt. Mit ihrer absoluten Mehrheit im Parlament hat die national-konservative Fidesz-Partei eine Medienbehörde installiert, die ausschlißelich mit eigenen Leuten besetzt ist. Das Redaktionsgeheimnis gilt nicht mehr.

Mittagsjournal, 21.12.2010

Tim Gerrit

Rechtsnationale Fidesz hat absolute Mehrheit

Das ungarische Parlament hat in der Nacht zum Dienstag ein umstrittenes Mediengesetz verabschiedet. Die rechtskonservative Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orban, die im Parlament über eine Zwei-Drittel-Mehrheit verfügt, brachte die Neuregelung mit 256 Stimmen dafür und 87 dagegen durch.

Medienbehörde: Nur Fidesz-Leuten

Das neue Mediengesetz sieht die Einrichtung einer Medienbehörde NMHH vor, der fünf Mitglieder der Regierungspartei angehören sollen. Das Gremium soll Rundfunkbetriebe, Zeitungen und Zeitschriften, deren Berichte als "nicht politisch ausgewogen" erachtet werden, mit hohen Geldbußen belegen dürfen. Journalisten müssen dem Gesetz zufolge ihre Quellen offenlegen, wenn es um Fragen der nationalen Sicherheit geht.

Präsidentin auf neun Jahre

Die NMHH steht über ihre Präsidentin Annamaria Szalai, die vom Ministerpräsidenten Viktor Orban persönlich für neun Jahre ernannt wurde, faktisch unter der Kontrolle der Regierung. Der NMHH-Vorstand besteht ausschließlich aus Vertretern der rechtsnationalen Regierungspartei FIDESZ. Orban, zugleich FIDESZ-Vorsitzender, kam bei der Parlamentswahl im April dieses Jahres an die Macht.

Medienbehörde im Verfassungsrang

Das Parlament verankerte zudem die Macht der umstrittenen Medienbehörde in der Verfassung. Demnach darf der Präsident der NMHH ohne parlamentarische Kontrolle Verordnungen und Vorschriften erlassen. Beide Beschlüsse fielen mit der Zweidrittelmehrheit der regierenden rechtsnationalen Partei FIDESZ.

Hohe Strafen, vage Vorschriften

Die privaten Medien können von der NMHH mit hohen Geldstrafen belegt werden, wenn sie mit ihren redaktionellen Inhalten gegen vage definierte Vorschriften verstoßen. Diese Bußgelder könnten manche Medien wirtschaftlich ruinieren. Quotenstarke Fernsehsender können mit bis zu 200 Millionen Forint (ca. 730 000 Euro) belangt werden, weniger verbreitete Sender mit 50 Millionen Forint, Tageszeitungen und Internetportale mit 25 Millionen Forint und Wochenzeitungen mit 10 Millionen Forint. Zudem kann die Kontrollbehörde gegen die Geschäftsführer der jeweiligen Medien persönlich Bußgelder von zwei Millionen Forint verhängen. Die Betroffenen können anschließend vor Gericht gegen die Bußgeldbescheide Einspruch erheben.

Redaktionsgeheimnis gilt nicht mehr

Ferner sieht das Gesetz vor, dass NMHH in Redaktionen ermitteln und dabei auch als Betriebsgeheimnis geltende Dokumente einsehen und kopieren kann. Nach Ansicht von Kritikern ist dadurch der Schutz der Informanten von Journalisten in Gefahr. Das Mediengesetz enthält zudem Richtlinien zu Programminhalten: "Politische Propaganda" ist außerhalb der Wahlkampfzeiten nur dann erlaubt, wenn sie mit bereits ausgeschriebenen Volksbefragungen zusammenhängt.

Heftige Kritik der OSZE

Das Gesetz, das am 1. Januar in Kraft tritt, stößt in Ungarn und im Ausland auf teils heftige Kritik. Aus Protest gegen das Regelwerk erschienen Zeitungen wie "Magyar Narancs" oder "Népszava" Anfang des Monats mit leeren Titelseiten. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und das Internationale Presse-Institut (IPI) kritisierten, dass das Gesetz zu einer Selbstzensur der Medien führen wird. Vor dem ungarischen Parlament demonstrierten am Montag rund 1.500 Menschen gegen das Gesetz. (Text: Red., DPA)

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