Ausstellung und Buch

Napoleon als Kunsträuber

"Napoleon und Europa - Traum und Trauma" heißt eine Großausstellung, die in der Bundeskunsthalle in Bonn zu sehen ist. Zeitgleich mit dieser spektakulären Schau bringt der Böhlau-Verlag ein Buch über den systematischen Kunstraub heraus, den Napoleons Truppen in ganz Europa veranstaltet haben.

Kulturjournal, 28.12.2010

Napoleon, das haben schon die Zeitgenossen des Imperators empfunden, war eine zwiespältige Figur: Einerseits verstand sich der enthusiastische Rousseau-Leser als Anhänger der Aufklärung und der Französischen Revolution, andererseits überzog er Europa - als eine Art romantischer Übermensch - mit imperialen Kriegen, die fünf Millionen Tote forderten und in vielen Ländern Nationalismen reaktionärer Prägung befeuerten.

"Seine Verdienste liegen sicherlich im juristischen Bereich, mit der Durchsetzung des Code Civile", meint die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy, die die Großausstellung in Bonn mitkuratiert hat.

Geburt des nationalen Denkens

"Sein negatives Erbe ist sicherlich der Nationalismus des 19. Jahrhunderts. Denn um 1800 ist Europa von einem kosmopolitischen Zusammenhang von Ländern und Nationen zu einem stark in patriotischen Kategorien denkenden Territorium geworden. Und davon haben wir bis ins 20. Jahrhundert hinein die Folgen getragen. Erst seit 1945 versuchen wir, einen Zustand des 18. Jahrhunderts wieder herzustellen", erläutert Savoy.

In einem materialreichen, 530 Seiten starken Buch arbeitet Bénédicte Savoy nun ein bisher wenig beachtetes Kapitel der internationalen Napoleon-Forschung heraus: Es geht um die Kunstwerke von unschätzbarem Wert, die Napoleons Kommissäre in Deutschland, Österreich und den Niederlanden beschlagnahmen und nach Paris verbringen ließen.

Mittagsjournal, 28.12.2010

Neue Sammlung und Europa-Archiv

Im neugeschaffenen "Musée Napoleon" im Louvre wurden sie in einer spektakulären Ausstellung 1807 dem staunenden Publikum präsentiert. Kostbarste Arbeiten von Cranach, Dürer, Altdorfer, Rembrandt, Rubens und van Dyck waren da ebenso zu sehen wie ägyptische Mumienmasken aus Berlin und altrömische Statuen aus Potsdam.

Außerdem, und das ist fast noch weniger bekannt, ließ Napoleon große Archive aus Rom, Wien, Berlin und Madrid in zehntausende Kisten verpacken und nach Paris schaffen. In einem monumentalen "Palais des Archives Europe" sollte das Gedächtnis Europas systematisiert und geordnet werden, wie Bénédicte Savoy erläutert: "Das Gebäude ist im Projektstadium geblieben, die Archive waren in Paris - fast die gesamten päpstlichen Archive waren in Paris, große Teile der Archive aus Wien waren in Paris. Napoleon hat diverse Kommissionen von jungen Archivaren gegründet, die die verschiedenen Nationalsprachen perfekt beherrschten, und die sie nach modernen Kriterien neu geordnet haben. Das Interessante ist, dass der österreichische Kaiser sich sogar bei dem Archivar, der diese Neuorganisation verantwortet hatte, bedankt hatte mit einem reichen Geschenk, als die Archive zurückkamen, denn die kamen natürlich 1815 in alle Länder zurück."

Fast alles wurde restituiert

Zurück kamen auch die gestohlenen Kunstwerke: Fast alles, was französische Emissäre in Köln, Bonn, Braunschweig, Kassel, Berlin oder Wien zusammengerafft hatten, wurde nach Napoleons wenig ruhmreichem Ende 1815 wieder restituiert.

Service

Ausstellung "Napoleon und Europa - Traum und Trauma", bis 25. April 2011, Bundeskunsthalle Bonn

Buch: Bénédicte Savoy, "Kunstraub - Napoleons Konfiszierungen in Deutschland und die europäischen Folgen", Böhlau-Verlag

Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland